Thukydides und die Anfänge der athenischen Arche
41
nehmen mußten, die nicht vom Synedrion der Hellenen beschlossen
waren. Trotzdem hat Athen sie, wie wir sahen, offenkundig in der Regel
nicht zum Krieg gegen andere Hellenen gezwungen.
So hat es im sog. Seebund zwei Gruppen von Verbündeten gegeben.
Die autonomen Verbündeten waren diejenigen, die mit Athen nur im
Rahmen des Hellenenbundes von 481 verbunden waren und somit nur
zum Krieg gegen Persien verpflichtet waren. Sie hatten Mitspracherecht
in den Versammlungen des Synedrion und für sie war die Zahlung des
Phoros oder die Stellung von Schiffen nur solange eine Pflicht, als der
Krieg gegen Persien fortdauerte. Die unterworfenen Verbündeten (υπή-
κοοι) waren diejenigen, die mit Athen durch ein zweiseitiges Bündnis
verbunden waren und somit an allen Kriegen teilnehmen mußten, die
von der athenischen Volksversammlung beschlossen wurden. Für sie
war die Zahlung des Tributes oder die Stellung von Schiffen oder Trup-
pen durch dieses neue Bündnis begründet; dies waren, wie wir aus dem
Dekret für Chalkis erfahren, absolut bindende Verpflichtungen, gleich-
gültig zu welchen Zwecken Athen diese Geldmittel und diese Truppen
verwendete132.
Dieser Sachverhalt erhellt aus den Bestimmungen des Vertrags von
446 über Aigina und denjenigen des Vertrages von 421 über die Gemein-
den Akanthos, Argilos, Olynthos, Skolos, Spartolos und Stageiros. Ai-
gina gehörte seit 481 dem Hellenenbund an133; die sechs anderen Ge-
meinden traten dem Bündnis vielleicht noch 480/79 bei. Jedenfalls fielen
die Potidäer und die anderen Griechen auf der Pallene unmittelbar
nach der Schlacht bei Salamis von den Persern ab. Vermutlich verhiel-
ten sich die übrigen Gemeinden auf der Chalkidike ebenso, zumal Hero-
τόν Άθηναίον, καί πείσομαι τδι δέμοι τοι Άθεναίον. In gleicher Weise wurden
457 die Aegineten vertraglich gezwungen, den Athenern den Phoros zu zahlen
(Thuk. I 108,4).
132 Thukydides scheint den Unterschied zwischen autonomen und nicht autonomen
Verbündeten etwas anders aufzufassen, wenn er den Mytilenäem in den Mund
legt, sie seien mit den Chiem die einzigen noch autonomen Verbündeten (III 10,5).
Damit meint er offenbar, daß die Lesbier und die Chier die letzten Städte waren,
die noch Schiffe stellten (man vgl. II 9,4, wo Thukydides die Chier und Lesbier
von den αλλαι πόλεις αί ύποτελεΐς unterscheidet). Diese Unterscheidung ist
sachlich bestimmt zutreffend, wohl aber nicht rechtlich: denn es gab Seestädte,
die von Anfang an, als autonome Mitglieder, Geld statt Schiffe gestellt haben:
Zahlung des Tributs bedeutete prinzipiell nicht Unterwerfung, wie eben die Klau-
sel des Nikiasfrieden zeigt. Und es ist kaum anzunehmen, daß Athen alle Ver-
bündete physisch unterwerfen mußte, um die Fortsetzung der Tributzahlung zu
erwirken. So auch W. Schuller, Die Herrschaft der Athener 54f.
133 Hdt. VII 145,1; VIII 1,2.
41
nehmen mußten, die nicht vom Synedrion der Hellenen beschlossen
waren. Trotzdem hat Athen sie, wie wir sahen, offenkundig in der Regel
nicht zum Krieg gegen andere Hellenen gezwungen.
So hat es im sog. Seebund zwei Gruppen von Verbündeten gegeben.
Die autonomen Verbündeten waren diejenigen, die mit Athen nur im
Rahmen des Hellenenbundes von 481 verbunden waren und somit nur
zum Krieg gegen Persien verpflichtet waren. Sie hatten Mitspracherecht
in den Versammlungen des Synedrion und für sie war die Zahlung des
Phoros oder die Stellung von Schiffen nur solange eine Pflicht, als der
Krieg gegen Persien fortdauerte. Die unterworfenen Verbündeten (υπή-
κοοι) waren diejenigen, die mit Athen durch ein zweiseitiges Bündnis
verbunden waren und somit an allen Kriegen teilnehmen mußten, die
von der athenischen Volksversammlung beschlossen wurden. Für sie
war die Zahlung des Tributes oder die Stellung von Schiffen oder Trup-
pen durch dieses neue Bündnis begründet; dies waren, wie wir aus dem
Dekret für Chalkis erfahren, absolut bindende Verpflichtungen, gleich-
gültig zu welchen Zwecken Athen diese Geldmittel und diese Truppen
verwendete132.
Dieser Sachverhalt erhellt aus den Bestimmungen des Vertrags von
446 über Aigina und denjenigen des Vertrages von 421 über die Gemein-
den Akanthos, Argilos, Olynthos, Skolos, Spartolos und Stageiros. Ai-
gina gehörte seit 481 dem Hellenenbund an133; die sechs anderen Ge-
meinden traten dem Bündnis vielleicht noch 480/79 bei. Jedenfalls fielen
die Potidäer und die anderen Griechen auf der Pallene unmittelbar
nach der Schlacht bei Salamis von den Persern ab. Vermutlich verhiel-
ten sich die übrigen Gemeinden auf der Chalkidike ebenso, zumal Hero-
τόν Άθηναίον, καί πείσομαι τδι δέμοι τοι Άθεναίον. In gleicher Weise wurden
457 die Aegineten vertraglich gezwungen, den Athenern den Phoros zu zahlen
(Thuk. I 108,4).
132 Thukydides scheint den Unterschied zwischen autonomen und nicht autonomen
Verbündeten etwas anders aufzufassen, wenn er den Mytilenäem in den Mund
legt, sie seien mit den Chiem die einzigen noch autonomen Verbündeten (III 10,5).
Damit meint er offenbar, daß die Lesbier und die Chier die letzten Städte waren,
die noch Schiffe stellten (man vgl. II 9,4, wo Thukydides die Chier und Lesbier
von den αλλαι πόλεις αί ύποτελεΐς unterscheidet). Diese Unterscheidung ist
sachlich bestimmt zutreffend, wohl aber nicht rechtlich: denn es gab Seestädte,
die von Anfang an, als autonome Mitglieder, Geld statt Schiffe gestellt haben:
Zahlung des Tributs bedeutete prinzipiell nicht Unterwerfung, wie eben die Klau-
sel des Nikiasfrieden zeigt. Und es ist kaum anzunehmen, daß Athen alle Ver-
bündete physisch unterwerfen mußte, um die Fortsetzung der Tributzahlung zu
erwirken. So auch W. Schuller, Die Herrschaft der Athener 54f.
133 Hdt. VII 145,1; VIII 1,2.