Metadaten

Giovannini, Adalberto; Gottlieb, Gunther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 7. Abhandlung): Thukydides und die Anfaenge der athenischen Arche — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45484#0045
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Thukydides und die Anfänge der athenischen Arche 43
suchten die Athener vergeblich, die Melier zu einem Bündnis zu zwin-
gen138. Im J. 416/5 versuchten sie es wieder und, da die Melier von
einem Symmachievertrag wiederum nichts wissen wollten, belagerten
und zerstörten sie schließlich die Stadt139. Wir wissen aber aus den
Tributlisten, daß im J. 425/4 Melos veranlagt wurde, und zwar zu einem
Phoros von 15 Talenten. Wenn die Zahlung eines Phoros an die Mit-
gliedschaft in einem delisch-attischen Seebund gebunden gewesen wäre,
wie man immer angenommen hat, dann wären die Zeugnisse des Thuky-
dides und der Tributlisten unvereinbar. Denn entweder waren die Melier
keine Verbündeten Athens in einem rein zweiseitigen Bundesverhältnis,
wie Thukydides ausdrücklich behauptet; dann war die Veranlagung von
Melos von Seiten der Athener ein rein willkürlicher Akt; oder wir müssen
annehmen, daß Melos, trotz des Zeugnisses des Thukydides, doch Mit-
glied des sog. Seebundes und somit Bündner Athens zumindest eine Zeit
lang gewesen ist140. Wenn hingegen die Veranlagung des Aristeides im
J. 477 im Rahmen des Hellenenbundes von 481 vorgenommen wurde,
verschwindet die Schwierigkeit von selbst. Melos war, wie wir aus der
Liste der Sieger auf der Schlangensäule von Delphi erfahren141, Mit-
glied des Hellenenbundes. Unabhängig davon, ob die Melier nach 477
an den Unternehmungen gegen Persien teilgenommen oder sich zusam-
men mit den anderen Peloponnesiern zurückgezogen hatten, blieben
sie weiterhin Mitglieder des Hellenenbundes und konnten deshalb von
den Athenern prinzipiell zur Beteiligung an den Lasten des Krieges auf-
gefordert werden (daß diese Mittel dann während des Peloponnesischen
Krieges für Athens Unternehmungen gegen die Peloponnesier miß-
braucht wurden, ist ein anderes Problem, das die Gesamtheit des Bundes
betrifft). Formell konnte ein Mitglied des Hellenenbundes zur Tribut-
zahlung aufgefordert werden, ohne mit Athen selbst verbündet zu sein.
Wie für Aigina und die sechs Städte der Chalkidike, war für Melos die
Zahlung des Tributs mit der Autonomie Athen gegenüber im Rahmen
des Hellenenbundes von 481 grundsätzlich vereinbar.
138 Thuk. III 91,2.
139 Thuk. V 84-116.
140 Zum Problem des Verhältnisses von Melos zu Athen vor 416/5 vgl. vor allem
Μ. Treu, Athen und Melos und der Melierdialog des Thukydides, Historia 2
(1953/4) 253-273; W. Eberhardt, Der Melierdialog, Historia 8 (1959) 284-314;
A. E. Raubitschek, War Melos tributpflichtig?, Historia 12 (1963) 78-83; A. W.
Gomme-A. Andrewes-K. J. Dover, Commentary IV (1970) 156-158; D. Meiggs,
The Athenian Empire 327 f.
141 Meiggs-Lewis Nr. 27.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften