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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 8. Abhandlung): Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Roemischen Kaiserreiches: Erwartungen u. Wertmassstäbe ; vorgetragen am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45485#0021
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Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft

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3. Hinweise auf die Unübertrefflichkeit von Einzelpersonen. Die
Charakterisierung eines Menschen durch seine 'singulären’ Tugenden
schloß - in strengem Sinne - noch immer nicht aus, daß mehrere
Menschen gleichermaßen 'einzigartig’ waren, denn der Vergleich,
durch welchen die anderen Einzelmenschen eine niedrigere Wert-
qualifikation erhalten könnten, ist in den Formulierungen mit singu-
laris und unicus nicht unmittelbar enthalten. Wiederum ein neuer
Horizont für die Bewertung persönlicher Verhaltensweisen und Hand-
lungen ergab sich freilich dann, wenn dieser Vergleich - mit anderen
oder gar mit allen anderen Menschen - ausdrücklich vollzogen wurde.
Insbesondere wenn man von einem Herrscher sprach, gehörte es zum
guten Ton, ihn durch einen Vergleich über alle seine Vorgänger zu
stellen - wobei aber die so erfaßte Unübertrefflichkeit wiederum nicht
durch rein persönliche Fähigkeiten, Neigungen und Interessen, son-
dern wieder einmal durch die überdurchschnittliche Erfüllung der
Anforderungen der Kollektivmoral begründet wurde. In der Panegyrik
und in der Kaiserbiographie war diese Darstellung der Herrscher -
oder der 'guten’ Herrscher - gang und gäbe: Plinius etwa schrieb, daß
alle Vorgänger Trajans von Lastern behaftet waren, so daß postremo
adhuc nemo exstitit cuius virtutes nullo vitiorum confinio laederentur,
während Trajan durch die glückliche Verbindung von severitas und
hilaritas, gravitas und simplicitas, maiestas und humanitas nur über
Vorzüge verfuge54, und in der Historia Augusta beginnt die Bio-
graphie Mark Aurels mit dem Hinweis, daß dieser Kaiser sanctitate
vitae omnibus principibus antecellit55. Im epigraphischen Gebrauch
Menschen, der durch eine Tugend herausragt, siehe etwa CIL VI 13481 (cf.
34066, a) (unicus frater durch seine pietas), oder unmittelbar auf die Tugend,
z. B. CIL VI 37231 (unica castitas), CIL VI 9487 (pietas, religio unica). Weiter-
hin ist oft vom unicum exemplum der tugendhaften Menschen die Rede, siehe
z. B. CIL VI 5744; 13992; 26180; oder von ihren einzigartigen Verdiensten,
z. B. CIL VI 9349 (unice de se merens). In den literarischen Quellen begegnen
wir häufig einem ähnlichen Wortgebrauch, siehe etwa HA, CI. 7,8 (unicus in
terris princeps, aufgrund der virtus, vgl. ebd. 7,6); Plin., Ep. 9,9,1 (unice probus),
HA, AS 26,9 (unice pius), ebd., CI. 13,5 (unica castimonia). Besonders häufig
ist aber in den literarischen Quellen die Wendung unice amare, unice diligere·,
siehe etwa Tac., Ann. 15,63,2; Plin., Ep. 3,3,1 und 6,29,1; Suet., A 62,2 und
N 35,3; HA, MA 28,7; AS 48,5; Max. 4,4; Gd. 6,3; vgl. auch ebd., H 21,4 und
AC 7,7.
54 Plin., Paneg. 4,5 ff.
55 HA, MA 1,1. Zur römischen Idee des Einzelmenschen, der andere übertrifft,
vgl. U. Knoche, Vom Selbstverständnis der Römer. Gymnasium, Beiheft 2
(Heidelberg 1962) 19f.
 
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