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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 8. Abhandlung): Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Roemischen Kaiserreiches: Erwartungen u. Wertmassstäbe ; vorgetragen am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45485#0026
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Geza Alföldy

ninensium inteifecto spolia opi[ma\ lovi Feretrio consecra[vit]10. Man
wußte allerdings auch von 'negativen’ Ersttaten zu berichten. Die Ge-
sprächspartner im Dialogus de oratoribus wissen nicht nur, was Cicero
als erster zur Vervollständigung der römischen Rednerkunst beitrug,
sondern streiten sich auch darüber, wer als erster von der vetus atque
directa dicendi via abwich, wer primus ... omissa modestia ac pudore
verborum die politischen Redeschlachten vom erhabenen Kampf zur
Balgerei erniedrigte, und Curiatius Maternus weiß auch, daß Pompeius
der erste war, der auf dem Forum die freie Redezeit beendete und
dadurch der Eloquenz sozusagen Zügel aufsetzte70 71. Die Beispiele sind
vielsagend: Schon an diesen wenigen Beispielen läßt sich erkennen,
daß in Rom neuartige, erstmalige oder gar einmalige Leistungen im
Grunde genommen nur dann Interesse erweckten, wenn sie irgend-
wie doch mit dem alten Wertsystem gemessen werden konnten -
indem sie mit diesem Wertsystem entweder in Einklang zu bringen
waren und damit letztlich dessen Vervollständigung dienten, oder
aber zu diesem Wertsystem in Widerspruch standen. Denn alle an-
geführten, in der römischen Literatur günstig bewerteten Ersttaten
lassen sich einzelnen virtutes, alle ungünstig beurteilten Ersttaten -
wie etwa der Verlust von modestia ac pudor in der Sprache - dem
Gegensatz der Tugenden, den vitia, zuordnen.
In der römischen Kaiserzeit war es freilich im Vergleich mit der
älteren Geschichte Griechenlands und Roms nicht leicht, durch wirk-
lich erstmalige und einmalige Taten hervorzutreten. Nicht zufällig
wurde diese Epoche mit ihrer Kontinuität in der politischen Ordnung,
mit den seit Augustus kaum mehr weiter vorgeschobenen Reichs-
grenzen und mit dem eher zur Systematisierung alter Werte als zu
Neuschöpfungen fähigen Geistesleben von den Zeitgenossen als das
Greisenalter Roms betrachtet72. Dion von Prusa beschrieb eindrucks-
voll die Paralysierung der Leistungsmöglichkeiten im Hinblick auf
70 CIL X 809 = ILS 64. Vgl. auch etwa CIL VI 1302 = ILS 61 mit dem Text
Fertior) Erresius, rex Aequeicolus; is preimus ius fetiale paravit; inde p. R. disci-
pleinam excepit, ferner CIL VI 1300 = ILS 65 mit dem Elogium des C. Duilius,
des Siegers von Mylae, u. a. mit der Formulierung [bene r]em navebos marid
consol primos c[eset copiasque c]lasesque navales primos ornavet pa[ravetque]
[primos qü\oque navaled praedad poplom [donavet primosque] Cartacini[ens]is
[ince]nuos d[uxit in triumpod]. Diese beiden Inschriften stammen nicht aus der Zeit
der Republik, sondern aus der Kaiserzeit.
71 Tac., Dial. 22,2 bzw. 19,1; 26,5; 38,2.
72 Siehe dazu bes. W. Hartke, Römische Kinderkaiser. Eine Strukturanalyse römi-
schen Denkens und Daseins (Berlin 1951) 393ff.; R. Häußler, Vom Ursprung
 
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