Metadaten

Wolgast, Eike; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 9. Abhandlung): Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45486#0041
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts

39

Sehr viel praktischer dachte Theodor Beza, dessen Schrift „De iure
magistratuum in subditos et officio subditorum erga magistratus“, wie
der Untertitel versprach, ein „tractatus brevis et perspicuus“ war, ein
Vademecum und eine Handlungsanleitung zum Thema Gehorsam und
Widerstand „his turbulentis temporibus“83. Basis für Bezas Staatstheo-
rie ist der Herrschaftsvertrag und die obligatio mutua; die Regierungs-
gewalt wird vom Volk unter bestimmten Bedingungen vergeben und
der Empfänger steht in der Bindung durch das Gesetz. Das Wider-
standsrecht war auch für Beza ständisch gebunden. Für den einfachen
homo privatus hielt er einschränkungslos an der calvinistischen Tradi-
tion fest; dem einzelnen Christen blieben zur Abwehr tyrannischer
Herrschaft nur Gebet und Emigration sowie der Appell an die Amtsträ-
ger mit der Aufforderung, ihre Schutzpflicht zu erfüllen. Auch Beza
kannte für diesen Bereich nur die Ausnahme der „extraordinaria voca-
tio a Deo ipso“ in Gestalt des vir heroicus.
Eine entscheidende Erweiterung des Widerstandsrechts gegenüber
Hotman und die notwendige Anpassung der Theorie an die aktuelle Si-
tuation erreichte Beza mit der Differenzierung der magistratus inferio-
res. Die Generalstände als Träger des Widerstandsrechts traten für ihn
in den Hintergrund zugunsten der Festlegung von Pflichten und Rech-
ten der Amtsträger, die abgestuft an der Staatsverwaltung Anteil haben.
Sie sind Beauftragte der Institution („officiarii regni“), nicht der Person
des Königs, und nur abhängig von der „summa regni auctoritas“. Die
höheren magistratus, die eingesetzt werden, „ut sint quasi frena et habe-
nae ad supremum magistratum in officio continendum“84, tragen ent-
83 1 5 74 französisch (wahrscheinlich Heidelberg) erschienen, 1576 lateinisch (vermutlich
Heidelberg). Die beste moderne Ausgabe vgl. bei K. Sturm (Hg.), Theodor Beza, De
iure magistratuum (Neukirchen - Vluyn 1965; Texte zur Geschichte der evangeli-
schen Theologie 1) (danach im Folgenden zitiert). Bibliographie vgl. ebd., 2 Iff.; Den-
nert, Beza (s. Anm. 77), 347f.; ebd., Iff. eine deutsche Übersetzung. Vgl. Franklin (s.
Anm. 77), 30ff. 97ff. Über Bezas Schrift vgl. A. A. van Schelven, Beza’s De Iure Ma-
gistratuum in Subditos. In: ARG 45/1954, 62ff.; Stricker (s.Anm. 45), 127ff.; Den-
nert, Ursprung (s. Anm. 45), 42ff. sowie die bei D. Kempf, A Bibliography of Calvi-
niana 1959-1974 (Leiden 1975), 146ff. verzeichnete Literatur. Zu Bezas Reaktion
auf 1572 vgl. auch R. M. Kingdon. Reactions to the St. Bartholomew Massacres in
Geneva and Rome. In: A. Soman (Hg.), The Massacre of St. Bartholomew (den Haag
1974), 27ff. Zu einer katholischen Bearbeitung von Bezas Schrift von 1578 vgl. J.
Steinruck, Johann Baptist Fickler. Ein Laie im Dienste der Gegenreformation (Mün-
ster 1965), 215ff.
84 Qu. VI (Sturm, 39f.); vgl. die Ausführungen über die drei genera subditorum in qu.
VI (Sturm, 40ff.).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften