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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0017
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Der Prolog der ‘Bacchen’

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hellenistischer Literatur erwarten. Daß der Ausdruck auf die angeblich
300 km lange Befestigung anspielt, mit der Antiochos I. die Oase von
Merw um 270 v. C. sicherte (Strab. 11,10,2), läßt sich nicht ausschlie-
ßen, wenn auch die Margiane streng genommen nicht zu Baktrien ge-
hört.
Am meisten befremden im Hinblick auf das geographische Vokabu-
lar die Verse 17-19. Hier erscheint der Ausdruck näoa. ’Aoiot mit aus-
drücklicher und exklusiver Beziehung auf Kleinasien. Dieses wird näm-
lich mit seinen griechischen und barbarischen Küstenstädten unmissver-
ständlich beschrieben und mit anderen Ländern des asiatischen Konti-
nentes wie Persis, Medien, Baktrien und Arabien in eine Reihe gestellt.
Unwahrscheinlich ist, daß man ’Aot'av xe itäootv f] jTaQ’äXpuQÖtv 6tX.ot
KetxoiL kxa als „ganz Asien, soweit es am Meer liegt“ zu verstehen habe.
Es wäre in diesem Fall statt des einfachen Relativums ein öaiq (Soph.
El. 378; E. Bacch. 35) oder allenfalls rjxig (Soph. Ai. 1413) zu erwar-
ten. Dodds verweist denn auch auf den Umstand, daß näoa ’Aoiot hier
soviel wie Kleinasien bedeute. Ein solcher Sprachgebrauch ist jedoch
zur Zeit des Euripides unerhört. ’Aoiot ist im 5. und 4. Jh. v. C. stets der
asiatische Kontinent insgesamt. Das gilt für die Erdkarte des Anaxi-
mander, für Hekataios, für die Tragödie, für Herodot, für die hippokra-
tische Literatur. Da aus griechischer Sicht dieser Kontinent im Perser-
reich politisch zusammengefaßt ist, bezeichnet der Name Asien nicht
selten auch ganz präzise das Achämenidenreich10 11. Fraglos haben grie-
chische Autoren der archaisch-klassischen Zeit oft nur Kleinasien im
Blick, wenn sie von Asien reden. Das gilt insbesondere dann, wenn es
um die Griechen in Asien geht, wie etwa in den Diskussionen um den
Königsfrieden von 386 v. C. (Isocr. Phil. 100)n. Aber diese Redeweise
10 Besonders oft bei Aischylos (Pers. 275; Prom. 412; 734), aber auch anderswo (Pind.
Ol. 7,33; Hdt. 4,45 insbesondere in der Gegenüberstellung zu Griechenland oder Eu-
ropa Eur. fr. 981 N.). Diese Bedeutung läßt sich gerade für den Ausdruck nöoa
’Aoia oft wahrscheinlich machen (Aesch. Pers. 57; 61; 249; 763), und sie ist auch für
die Dareios-Vase in Neapel (Nr. 3253) mit der Abbildung Asiens als Frauengestalt
vorauszusetzen. Später findet man diesen Sprachgebrauch bei den Publizisten und Hi-
storikern des 4. Jh. (Xen. Hell. 4,8,25; Lys. 2,21; Isoc. 4,82).
11 Vergleichbar ist der Sprachgebrauch frühhellenistischer Zeit: Die im Pap. Flind. Petr.
III 104,3 (3. Jh. v. C.) erwähnten Kriegsgefangenen in Ägypten gehören zu den goto
Tpc ’Aoiag aixpakcoroi (ähnl. O. G. I 54,8 aus etwa derselben Zeit). Auch hier geht
es nur darum, die ungefähre Herkunft dieser Gefangenen zu bestimmen, ohne daß
man daraus auf eine terminologische Verwendung des Namens Asien für das Seleuki-
denreich oder Syrien schließen dürfte.
 
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