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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0033
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Der Prolog der ‘Bacchen’

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richten von den Auftritten Kaiser Neros als Kanake, Niobe, Orestes
und Oedipus (Suet. Nero 21). Aber auch, daß Einzelarien oder -szenen
aus den Tragödien des Kaisers durch Berufsschauspieler aufgeführt
worden sind, ist bezeugt (Philostr. vit. Apoll. 4,39). Dazu paßt die viel-
behandelte Themison-Inschrift13 aus dem 2. Jh. n. C., in der ein Schau-
spieler und Sänger dieses Namens geehrt wird, der sich mit der Vorfüh-
rung von Liedern oder Arien aus Werken des Sophokles, Euripides
u. a. zu neuen, von ihm selbst komponierten Melodien einen Namen ge-
macht hatte. Daß die Originalmusik klassischer Tragödien in helleni-
stisch-römischer Zeit noch zugänglich war, galt wohl nur in Ausnah-
men, wie im Fall des euripideischen ‘Orestes’ (Dion, de comp. verb.
11).
Indessen gab es die Gepflogenheit, Einzelpartien aus klassischen Tra-
gödien auf der Bühne mit mimischem Aufwand zu singen oder zu rezi-
tieren, gewiß nicht erst in der Kaiserzeit. Eine Inschrift aus dem Jahre
194 v. C.14 ehrt den Flötenspieler und Schauspieler Satyros, der Lieder
(otopct) aus der Rolle des Dionysos in den ‘Bacchen’ des Euripides mit
Chor- und Instrumentalbegleitung zur Aufführung gebracht hatte. Die
Rolle des Dionysos in jenem Stück besteht nur aus Sprechversen. Saty-
ros hat also entweder iambische Trimeter vertont - man nannte das jte-
QiaÖEtv toi iapßEia (Luc. salt. 27; vgl. Suet. Nero 46)15 - oder aber den
Text umgedichtet bzw. erweitert. Die Begleitung des Virtuosen durch
einen Chor - vjtOTQaycpÖEiv ist der Fachausdruck16 - war nichts Unge-
wöhnliches, wobei offen bleibt, ob es sich um mehr oder weniger freie
Choreinlagen handelte, die in den Bühnenmanuskripten klassischer
Dramen nur mit dem Vermerk (dopet) oder (pckog) /opov bezeichnet
wurden17 oder um originale melische Partien der betreffenden Tragö-
die. Professionelle Chorsänger als Mitglieder dionysischer Techniten-
Vereine sind schon im 3. Jh. v. C. in der Formel xopög dvöpwv tqö-
ycpööjv bezeugt18 (O. G. I. 51 aus Ägypten).

13 Zur Themison-Inschrift grundlegend K. Latte, Eranos 52, 1954, 125/27 = Kl. Schrif-
ten 590/92.
14 Syll. 3648 B; vgl. G. M. Sifakis, Studies in the History of Hellenistic Drama, London
1964, 96.
15 Dazu M. Kokolakis, Platon 12, 1960, 90f.
16 Vgl. die Inschrift von Dura bei L. Robert, Bull. Epigr. Rev. et. gr. 1946/47 Nr. 200
(um 250 n. C.)
17 Z. B. Pap. Hibeh 174 aus dem ‘Hektor’ des Astydamas.
18 Die verschiedenen Berufsbezeichnungen des hellenistischen Bühnenwesens finden
sich am vollständigsten in der delphischen Inschrift Syll. 3424 (3. Jh. v. C.), in der die
 
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