Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0012
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

Werner Beierwaltes

er quält sich nicht im Jammer um den Armen und haßt nicht den,
der hat“10.
Eine Reflexion auf einen für Augustinus so zentralen Begriff wie den
des Glückes muß den durch das griechische Denken und durch dessen
römische Rezeption gegebenen Horizont immer bewußt halten. Denn
wesentliche Grundzüge des philosophisch oder dichterisch geprägten
Gedankens, etwa daß Glück im Sehen oder Erkennen gründe, bleiben
auch im Denken Augustins bestimmend, obgleich sie durch die christli-
che Offenbarung und Theologie in einen unterschiedlichen Kontext ge-
rückt sind. Weil Augustinus trotz einer in bestimmtem Sinne differen-
ten Explikation des Gedankens vom Glück nicht nur formal an die anti-
ke philosophische Tradition anknüpft, halte ich es für sachlich auf-
schlußreich, wenn ich zunächst paradigmatisch auf die aristotelische
Fassung des Begriffs verweise. Knappe Bemerkungen zu Platon und
Plotin sollen dem folgen. Ohne den Blick hierauf ist auch die neue,
christliche Form des Gedankens schwerlich verstehbar.
a) Der aristotelische Begriff des Glücks und der es bedingenden Er-
kenntnis-Haltung ist Augustinus zumindest in den Grundzügen vor al-
lem durch Cicero vermittelt, freilich in einer von diesem vollzogenen
Transformation und „Verkürzung“ der aristotelischen Frühschriften
‘Über Philosophie’ und ‘Protreptikos’. Soviel wir aus den Fragmenten
dieser Anweisung zum Philosophieren wissen, stellte sie die Notwendig-
keit und Legitimation des Philosophierens eindringlich vor und machte
so den Inhalt und Grund eines glücklichen Lebens evident.
Aufgrund des fragmentarischen Zustandes der beiden Schriften kann
sich auch eine skizzenhafte Überlegung zu Aristoteles freilich nicht auf
sie beschränken, sondern muß deren inhaltliche Begründung aus der
aristotelischen Ethik und Metaphysik zu eruieren versuchen.
Die aristotelische Anweisung zum Philosophieren will, indem sie den
Anfang des Philosophierens in Zeit setzt, das Denken durch Aufhebung
des anfänglichen Staunens in den Grund des Staunens zurückführen.
Der Grund des Staunens aber und damit das bewegende Element allen
10 Georgica II 490ff, Übersetzung von Friedrich Klingner. Vgl. auch dessen Interpreta-
tion des Finales des 2. Buches in: Virgils Georgica, Zürich-Stuttgart 1963, 121ff. -
Sprachlich und in gewisser Hinsicht auch sachlich knüpft noch Boethius (Cons. Phil.
III m. 12,Iff.) an die vergilische Formulierung an, zugleich ergibt sich von ihm her
auch eine Verbindung zu Augustins Telos-Gedanke:
Felix, qui potuit boni
fontem visere lucidum,
felix, qui potuit gravis
terrae solvere vincula.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften