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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0022
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Werner Beierwaltes

menschlichen Seins, ein Ziel, das jeder will, wenn er „zu sich selbst er-
wacht“66.
III
In derjenigen Schrift Ciceros, die in Analogie zum aristotelischen
' Protreptikos’ offensichtlich eine von Augustinus als glühend empfun-
dene exhortatio zum Philosophieren enthielt und so für Augustins
spätere Konversion zum Christentum einen entscheidenden Anfang
setzte67 — in Ciceros ‘Hortensius’ - stand der Satz: „Beati certe omnes
esse volumus“68. Er kehrt auch bei Augustinus wie ein unbezweifelba-
res Axiom immer wieder69. Unbezweifelbar und unstrittig ist er auf-
grund seiner abstrakten Allgemeinheit: er verweist auf einen allgemei-
nen Besitz {communis possessio), auf ein im Wesen des Menschen grün-
dendes Bedürfnis, auf ein naturhaftes Verlangen des Menschen nach
Erfüllung, das den Zustand der begrenzenden Unerfülltheit oder End-
lichkeit aufzuheben versucht. Ähnlich zeigt das Axiom: „Alle Men-
schen streben von Natur aus nach Wissen“ am Anfang der aristoteli-
schen ‘Metaphysik’ an, daß zum Menschen ein Impetus des Fragens und
Denkens gehört, der die eigene Unwissenheit erkennt und insofern
über sie ins Wissen hinaustreibt, als er nicht nur das „Daß“ akzeptiert,
66 IV 8, 1, 1. — Die Überlegungen zu Aristoteles, Platon und Plotin sind nicht so sehr als
Ansatzpunkte für eine historische „Ableitung“ von Augustins Konzeption des Glücks
gedacht, sie sollen vielmehr dessen Bezug zu einer bestimmten philosophischen
Denkstruktur -typologisch evident machen. Gleichwohl bin ich der Ansicht, daß Au-
gustinus besonders Plotin und Porphyrios - auch im Sinne einer historischen „Quelle“
verpflichtet ist. VgL hierzu in dem Streit um die ‘Libri Platonicorum’ die einleuchten-
den - vermittelnden - Argumente J. J. O’Mearas: The Young Augustine, London-
New York 19802, 143ff. Ders., Augustine and Neo-Platonism, Rech. Aug. 1, 1958,
91-111.
67 Ille vero über mutavit affectum meum et ad te ipsum, Domine, mutavit preces meas et
vota ac desideria mea fecit alia: Conf. III 4,7.
68 Trin. XIII 4, 7. Beata vita II 10. Zur Bedeutung des ‘Hortensius’ für Augustinus vgl.
aus der vielfältigen Literatur: J. J. O’Meara, The Young Augustine, 57ff. 186ff. Μ.
Testard, Saint Augustin et Ciceron, Paris 1958,1 19ff. R. P. Russell, Cicero’s Horten-
sius and the problem of riches in Saint Augustine, in: Augustinian Studies, 7, 1976,
59-68.
69 Vgl. z. B. Op. imp. contra Jul. VI 12, 26. Acad. I 2, 5. Mor. Eccl. III 4. Conf. X 21,
31. Sermo 306, 4, 4. 10, 9. Trin. XIII 20, 25. Zum Problemkreis im ganzen siehe E.
Gilson, Introduction ä l’Etude de Saint Augustin, Paris 19493, lff. R. Holte, Beatitu-
de et sagesse, Paris 1962. Ders., Artikel ‘Glück’ im Reallexikon für Antike und Chri-
stentum Bd. 11, 1979, 264-68. - Augustins Rezeption der ‘Seligpreisungen’ des
Evangeliums thematisiert A. Becker: L’appel des beatitudes, Paris-Fribourg 1977.
 
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