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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0025
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Regio Beatitudinis

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Selbstgerechtigkeit der philosophischen ratiocinatio gegenüber steht die
Überzeugung, wahrhaft glückliches Leben sei nur möglich durch Zu-
stimmung zur auctoritas Christi, die sich zugleich dessen gnadenhafter
Zuwendung öffnet. Plotins Imperativ zum Beispiel: „Fugiendum est igi-
tur ad carissimam patriam, et ibi pater, et ibi omnia. Quae igitur, inquit,
classis aut fuga? Similem Deo fieri“74 widerspricht freilich nicht dem au-
gustinischen Weg zum glücklichen Leben, aber er ist von sich selbst her
nicht zureichend; „zu unserer Reinigung und Befreiung“, die auch Plo-
tin intendiert, bedarf es vielmehr des Mediator Christus als der „göttli-
chen Hilfe“ {divinum adiutoriumy75. Dieser aber ist der einzige Weg,
auf dem auch das von den Philosophen ersehnte Ziel zu erreichen ist76.
Sich selbst bezichtigt Augustinus in der kritischen Rückschau auf sein
frühes Werk 'De beata vita' eines zu geringen Vorbehalts gegenüber
dem philosophischen Begriff von Glück. Dies könnte den eschatologi-
schen Aspekt verdecken: daß nämlich glückliches Leben nicht in dieser
Zeit vorfindlich und zu erreichen, sondern nur als futura vita zu erhof-
fen ist77.
Mit der ungefähren Anzeige von Augustins eigenem Begriff des
glücklichen Lebens im Kontext der philosophischen Voraussetzungen
und Kontraste habe ich den folgenden Erörterungen vorausgegriffen.
Diese sollen wesentliche inhaltliche Elemente von Augustins Konzep-
tion der vita beata oder beatitudo vorstellen. Dadurch erst können die
Behauptungen über Bezug und Differenz augustinischen Denkens zur
Philosophie vollends legitim erscheinen.
1. Augustins Bestimmung des glücklichen Lebens ist zunächst von
ihrem Gegensatz her zu sehen: dem glücklosen, an ihm selbst unseligen
Leben in „dieser Welt“. Zwar denkt Augustinus Welt als eine aus dem
Sein der göttlichen Ideen geschaffene78 und versteht sie von daher auch
als Bild des Urbildes, das, sofern es ist, gut ist und als sinnlich zugängli-
ches auf seinen intelligiblen Grund verweist. Dennoch ist im Bild die
74 Civ. Dei IX 17. Zitat aus Plotin I 6, 8, 16ff.
75 Ebd. und Sermo 306, 10, 10. 150, 8, 10: Christus als via zur beatitudo, per illum. Mor.
EccL VII 12. Zur Interpretation des programmatischen Satzes, der Augustins Absicht
der Differenzierung gegenüber der Philosophie deutlich machen will: Scientia ergo
nostra Christus est, sapientia quoque nostra idem Christus est (Trin. XIII 19, 24) vgl.
G. Madec in Recherches Augustiniennes 10, 1975, 77-85.
76 Retr. I. 2. Diese Kritik könnte auch auf c. Acad. II 1,1 zutreffen: nullam beatam vi-
tam, nisi qua in philosophia viveretur.
77 Vgl. meine Überlegungen zu „Creatio als Setzen von Differenz (Augustinus)“, in:
Identität und Differenz, Frankfurt 1980, 75ff.
78 En. in Psalm. 143, 11. Ebd. 83, 10. Trin. IV prooem.
 
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