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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0028
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Werner Beierwaltes

die Augustinus selbst im Zusammenhang seiner Bestimmung von Glück
heraushebt.
Wenn jemand also „Gott hat“, dann hat er ein der Zeit und dem
Raum enthobenes, unwandelbares, ewiges Sein, das „Sein selbst“ - da-
her die Bestimmung: glücklich leben sei nichts anderes als „etwas Ewi-
ges im (durch) Erkennen zu haben“, an dem unwandelbar Guten oder
höchsten Gut teilzuhaben, die unerschütterbare und unwandelbare
Wahrheit zu „genießen“90. „Etwas Ewiges“ hat das Erkennen freilich
schon in der Idee als dem Grund des zeithaften Einzel-Seienden; in
Gott als dem unwandelbaren Sein aber hat das Erkennen den denken-
den Grund, den creativen Ort der Ideen selbst91. Weg und Ziel der In-
tention auf glückliches Leben hin ist also die Reflexion auf die sich im
Denken ihrer selbst als unwandelbare Einheit vollziehende Weisheit
(sapientia) oder Wahrheit (veritas) Gottes. Von daher zeigt sich als wei-
tere Differenzierung der These: „Deum qui habet, beatus est“: Wenn
jemand „Gott hat“, dann hat er die Wahrheit oder Weisheit selbst. Au-
gustinus formuliert diesen Gedanken prägnant: „Glückliches Leben ist
Freude über die Wahrheit. Dies aber ist Freude über Dich, der Du die
Wahrheit bist, Gott, meine Erleuchtung, Heil meines Angesichts, mein
Gott.“ Oder: „Sola veritas facit beatos, ex qua vera sunt omnia“92.
Nicht die Evidenz irgendeiner kontingenten Wahrheit, die mit anderen
Wahrheiten zusammen etwa den Kontext einer Theorie bildet, ist
Grund glücklichen Lebens, sondern die absolute Wahrheit, veritas ipsa.
Diese ist bestimmende „Form“ alles einzelnen Wahren, universaler
Grund für das Wahr-Sein des in der creatio Gesetzten; ebensosehr ist
sie als höchste ‘similitudo’ die „Form alles Ähnlichen“: Grund und Ur-
sprung dafür, daß Seiendes untereinander und zu seinem Ursprung hin
90 Div. Quaest. LXXXIII 35, 2: quid est aliud beate vivere, nisi aeternum aliquid co-
gnoscendo habere? (Vgl. Cicero, Rep. I 17, 28: sempitemum et divinum animo volu-
tare). Aug. Beata vita 11 (quod semper manet). Ep. 140, 23, 56. 31, 74: participatio
incommutabilis boni. Lib. arb. II 13, 35: frui inconcussa et incommutabili veritate.
91 Lib. arb. II 11, 30. Div. quaest. LXXXIII 46, 2. Civ. Dei XII19. Gen. ad litt. IV 4, 10.
6, 12f.
92 Conf. X 23, 33: Beata quippe vita est gaudium de veritate. Hoc est enim gaudium de
te, qui veritas es, deus, inluminatio mea, salus faciei meae, deus meus. Hane vitam
beatam omnes volunt, hanc vitam, quae sola beata est, omnes volunt, gaudium de
veritate omnes volunt. De Agone christiano 33, 25. En. in Psalm. 4, 3. Sermo 151, 8,
10. 307, 10. - Zum philosophischen Kontext vgl. Seneca, De vita beata 4, 5: ex cogni-
tione veri gaudium grande et immotum. 5,2: Beatusenim dici nemo potest extra veri-
tatem proiectus.
 
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