Regio Beatitudinis
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Einsicht in die das Denken übersteigende und dennoch in ihm wirksa-
me, es ermöglichende Wahrheit ist als eine „Übereinkunft“ mit ihr zu
verstehen: Wenn Wahrheit, wie ich zuvor bereits angedeutet habe, für
Augustinus höchste Selbstübereinkunft ist, Ausschluß also aller Diffe-
renz im Sinne von Unwahrheit, Täuschung und Nicht-Sein (convenien-
tia, qua superior esse non possit), dann ist es Ziel des denkenden Rück-
gangs in die Innerlichkeit, mit eben dieser absoluten Selbstübereinkunft
in einem ihr analogen Sinne übereinzukommen. Die dem Menschen
höchst-mögliche „Wahrheit“ oder convenientia ist also die Identifika-
tion mit der absoluten convenientia oder Wahrheit, deren Transzendenz
er in sich selbst erfährt, die zugleich zum Anfang und Maß alles weite-
ren verläßlichen Denkens und Erkennens werden kann.
Wenn von einem „Licht“ die Rede ist, aus dem sich Einsicht entzün-
det (linde ipsum lumen rationis accenditur122), dann ist damit nicht etwa
eine rein psychologische Erfahrung der Evidenz gemeint; lux incommu-
tabilis steht vielmehr als Aussage über die apriorische Seinsverfassung
der menschlichen Erkenntnis: Grund und Maß der Erkenntnis von
Wahrheit in Zeit ist das zeitlos-unwandelbare, lichtende Licht der abso-
luten Wahrheit selbst123. Das Medium also, wodurch sich jede mensch-
liche Erkenntnis vollzieht, ihr absoluter Ermöglichungsgrund, ist die
Gegenwart des Lichtes der seienden Ideen (rationes aeternae) im Innern
des menschlichen Geistes oder die darin gegebene wesenhafte Verbun-
denheit des Denkens mit der Wahrheit selbst124. Theologisch gesagt ist
„Erleuchtung“ die Teilhabe am Wort, an jenem Leben also, welches das
Licht der Menschen ist125. Das den Menschen erleuchtende, sich ihm
zusprechende Wort trifft das für die Personalität des Menschen konsti-
tutive innerliche Licht als inneres Wort und kann so die freie Umkehr
(conversio) der imago dei in ihr lichtes Ur-Bild initiieren, llluminatio
wird damit zum Ereignis der Einsicht aus dem Zusammenwirken
menschlicher Leistung (Rückgang des Denkens in sich) mit der göttli-
chen Wirkung, die sich als Anwesenheit und Antreffbarkeit der absolu-
ten Wahrheit im Denken selbst erweist.
122 Ver. rel. 39,72.
123 Gottes Wesen als Licht außer Conf. VII 10,16: vidi . . . supra mentem meam lucem
incommutabilem, z. B.: Solil. I 1,3: Deus intelligibilis lux, in quo et a quo et per quem
intelligibiliter lucent, quae intelligibiliter lucent omnia. in Joh. 2,6ff. 13,5. En. in
Psalm 26, s. 2,15. 93,6.
124 Vgl. z. B. Lib. arb. III 5,13. Div. quaest. LXXXIII 46,2.
125 Trin. IV 2,4.
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Einsicht in die das Denken übersteigende und dennoch in ihm wirksa-
me, es ermöglichende Wahrheit ist als eine „Übereinkunft“ mit ihr zu
verstehen: Wenn Wahrheit, wie ich zuvor bereits angedeutet habe, für
Augustinus höchste Selbstübereinkunft ist, Ausschluß also aller Diffe-
renz im Sinne von Unwahrheit, Täuschung und Nicht-Sein (convenien-
tia, qua superior esse non possit), dann ist es Ziel des denkenden Rück-
gangs in die Innerlichkeit, mit eben dieser absoluten Selbstübereinkunft
in einem ihr analogen Sinne übereinzukommen. Die dem Menschen
höchst-mögliche „Wahrheit“ oder convenientia ist also die Identifika-
tion mit der absoluten convenientia oder Wahrheit, deren Transzendenz
er in sich selbst erfährt, die zugleich zum Anfang und Maß alles weite-
ren verläßlichen Denkens und Erkennens werden kann.
Wenn von einem „Licht“ die Rede ist, aus dem sich Einsicht entzün-
det (linde ipsum lumen rationis accenditur122), dann ist damit nicht etwa
eine rein psychologische Erfahrung der Evidenz gemeint; lux incommu-
tabilis steht vielmehr als Aussage über die apriorische Seinsverfassung
der menschlichen Erkenntnis: Grund und Maß der Erkenntnis von
Wahrheit in Zeit ist das zeitlos-unwandelbare, lichtende Licht der abso-
luten Wahrheit selbst123. Das Medium also, wodurch sich jede mensch-
liche Erkenntnis vollzieht, ihr absoluter Ermöglichungsgrund, ist die
Gegenwart des Lichtes der seienden Ideen (rationes aeternae) im Innern
des menschlichen Geistes oder die darin gegebene wesenhafte Verbun-
denheit des Denkens mit der Wahrheit selbst124. Theologisch gesagt ist
„Erleuchtung“ die Teilhabe am Wort, an jenem Leben also, welches das
Licht der Menschen ist125. Das den Menschen erleuchtende, sich ihm
zusprechende Wort trifft das für die Personalität des Menschen konsti-
tutive innerliche Licht als inneres Wort und kann so die freie Umkehr
(conversio) der imago dei in ihr lichtes Ur-Bild initiieren, llluminatio
wird damit zum Ereignis der Einsicht aus dem Zusammenwirken
menschlicher Leistung (Rückgang des Denkens in sich) mit der göttli-
chen Wirkung, die sich als Anwesenheit und Antreffbarkeit der absolu-
ten Wahrheit im Denken selbst erweist.
122 Ver. rel. 39,72.
123 Gottes Wesen als Licht außer Conf. VII 10,16: vidi . . . supra mentem meam lucem
incommutabilem, z. B.: Solil. I 1,3: Deus intelligibilis lux, in quo et a quo et per quem
intelligibiliter lucent, quae intelligibiliter lucent omnia. in Joh. 2,6ff. 13,5. En. in
Psalm 26, s. 2,15. 93,6.
124 Vgl. z. B. Lib. arb. III 5,13. Div. quaest. LXXXIII 46,2.
125 Trin. IV 2,4.