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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0042
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Werner Beierwaltes

seinen eigenen Grund150. Das im Denken vorlaufend seiende und wir-
kende Eine als der Grund der Einheit des Denkens ist also die Voraus-
setzung für eine nicht-mehr-denkende „Erfahrung“ des Einen selbst.
Zu dieser Erfahrung „hilft“ - etwa im Sinne des augustinischen „duce
te“ - das Eine dem Denken nicht unmittelbar, aus sich selbst herauszu-
kommen; es transzendiert sich vielmehr selbst ausschließlich aufgrund
der ontologischen Vorläufigkeit des Einen im Denken oder durch die
Strukturiertheit des Denkens durch das Eine, durch dessen unificative
Kraft im Denken151. In der Einung mit dem Einen selbst geht das Den-
ken in Nicht-Denken über, das Sehen wird das Gesehene selbst - ein
Zustand, in dem die Differenz im Denken aufgehoben ist, analog dem
Über-Sein des differenzlosen Einen selbst. „Das Gesehene aber sieht
der Sehende in jenem Augenblick (der Einung) nicht - die Rede ist frei-
lich kühn -, unterscheidet es nicht, stellt es nicht als zweierlei vor, son-
dern er ist gleichsam ein anderer geworden, nicht mehr er selbst und
nicht sein eigen, ist einbezogen in die obere Welt und jenem Wesen
(dem Einen) zugehörig und so ist er Eines, indem er gleichsam Mittel-
punkt mit Mittelpunkt berührt“152. Plotin meint so zu Recht, daß er ei-
gentlich nicht mehr von einem „Geschauten“ sprechen, sondern nur
noch auf ein „Geeintes“ verweisen könne153.
Wenn Augustins Gedanke der plotinischen Intention des Rückgangs
und Aufstiegs des Denkens in sich analog ist, so unterscheidet er sich -
über den theologischen Kontext hinaus - von Plotin freilich dadurch,
daß er das erkennende, betrachtende Sehen nicht in seinen Gegenstand
über- oder aufgehen läßt, sondern vielmehr das Sehen gerade als ein
150 III 8, 9, 22. 11,19. V l,ll,13f. V 3, 8, 41ff. VI 9, 11, 31.
151 Porphyrios allerdings hebt den θεός συλλήπτωρ, έφορος, επόπτης heraus: ad Marcel-
lam 12, 282, 6 und 18 (Nauck2), was doch die Annahme einer direkten helfenden Be-
ziehung des Gottes zum Menschen voraussetzt. Dies nimmt den frühen griechischen
Gedanken des ‘concursus divinus’ auf, z. B. Aeschylus, Pers. 742. Soph. frg. 841
(Nauck2). Eurip. frg. 432 (Nauck2): τώ γάρ πονοϋντι καί θεός συλλαμβάνει. Menan-
der frg. 494 (Körte-Thierfelder II 169), bei einem gerechten Wagnis „fasse auch der
Gott mit an“: τόλμη δίκαια καί θεός συλλαμβάνει. (Auf die genannten Stellen aus
Tragödie und Komödie hat mich freundlicherweise Eckard Lefevre hingewiesen.) -
Xenophon, Mem. I 4, 18: πάντων έπιμελεϊσθαι (θεούς). IV 3,13: θάττον δε νοήμα-
τος άναμαρτήτως ύπηρετοϋντα (θεόν). Marc Aurel IX 40 (συνεργεϊν). Bei Plotin be-
schränkt sich der Gedanke auf die allgemeine Gegenwart des Einen als des Grundes
und Zieles.
152 VI 9, 10, 13ff.
153 VI 9, 11, 6ff. 10, 14f. I 6, 7, 25ff. - Für eine genauere Darstellung dieser Fragen siehe
W. Beierwaltes, Reflexion und Einung, in: Grundfragen der Mystik (zus. mit H. U.
von Balthasar und A. Μ. Haas), Einsiedeln 1974.
 
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