Metadaten

Grimm, Tilemann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 7. Abhandlung): Sinologische Anmerkungen zum europäischen Philosophiebegriff — Heidelberg: Winter, 1981

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47800#0007
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Sinologische Anmerkungen zum europäischen Philosophiebegriff

Eine Thematisierung von Denkansätzen und Weltbildern im siniti-
schen Traditionsbereich läßt sich nach meinem Dafürhalten am sinnfäl-
ligsten so in die Wege leiten, daß ich eine Reihe von sinologischen An-
merkungen zum europäischen Philosophiebegriff formuliere. Diesen
selbst hätte ich dabei nicht zu entfalten, der fünfte oder sechste Band
des Historischen Wörterbuchs der Philosophie wird dies sub voce in al-
ler Ausführlichkeit tun. Hier geht es um sinologische Anmerkungen da-
zu, die das Gespräch über sinitisch-abendländische Kontraste und Pa-
rallelen befördern sollen. Es kann andererseits auch nicht darum gehen,
ein Portrait der chinesischen Denkwelt zu zeichnen, was immer das hei-
ßen mag, sondern ich versuche, aus dem Bereiche chinesischen Den-
kens auf das, was diesem qua „philosophia“ in der Begegnung mit der
abendländischen Denktradition entgegentritt, zu reagieren. Dazu nun
einige Vorbemerkungen.
Seit den siebziger Jahren des 19. Jh. ist der europäische Philosophie-
Begriff in Ostasien bekannt und seit der Jahrhundertwende heimisch
geworden. Es hat den Anschein, daß ein japanischer Autor den neuen
Begriff geprägt hat - Nishi Amane, selber Philosoph mit breiter klas-
sisch-chinesischer Bildung, hat für das europäische Wort Philosophie
die sino-japanischen Wörter tetsu und gaku (chin. zhe und xüe) gewählt,
um sie zu einem Begriffsäquivalent, etwa „Weisheits-Lehre“, zusam-
menzufassen. In einem aufschlußreichen Passus seines 1873 vollende-
ten Werkes „Über das Verhältnis zwischen Physis und Geist“ analysiert
er zunächst das europäische Wort und stellt es einem älteren chinesi-
schen Wort an die Seite, das etwa der „Liebe zur Weisheit“ entspricht1.
Er sagt dann aber ausdrücklich, daß er den neuen Begriff anderen Ver-
sionen, die aus der konfuzianischen Tradition stammen, vorzieht, und
wörtlich: „Ich unterscheide es damit von der konfuzianischen Lehre des
Ostens“2.
1 Nach Amane gefunden bei dem chinesischen Denker Zhou Dun-yi 1017-1073.
2 s. W. Lippert, Entstehung und Funktion einiger chinesischer marxistischer Termini.
Der lexikalisch-begriffliche Aspekt der Rezeption des Marxismus in Japan und China,
Wiesbaden 1979.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften