Sinologische Anmerkungen
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gen Aller, den Taoisten die Verlängerung des Lebens ins mystische Tao
hinein, den Buddhisten die Gleichwerdung mit oder gar die Verleibli-
chung als Buddha in der Erwartung des Nirvana, und den Konfuzianern
die Erreichung des Ideals vom erleuchteten Weisen, in der Gestalt des
Lehrers oder des Herrschers. Aber nur sie erstrebten die konkrete Rea-
lisierung in der konkreten Welt, für die sie einen intuitiven Verstand
(wtl. Herz) supponierten, dem die Realität der grundsätzlich guten Na-
tur des Menschen im Rahmen einer als grundsätzlich gut verstandenen
Welt einsichtig werden konnte.
Den Konfuzianern erschien jedwedes Ding, alles Seiende, von einer
Art Grundmuster der Struktur des Kosmos bedingt, das die Chinesen li
nannten und ihre europäischen Übersetzer „Prinzip“, ohne sich klar zu
machen, daß von principium oder arche hier nicht die Rede sein kann.
Li sind nämlich zunächst die feinen Äderchen im Jadestein und so/eine
passende Metapher für das spezifisch Dinghafte jedes Dinges. Real wie-
derum wurden die Dinge erst durch eine kosmische gestaltgebende
Kraft, die der Chinese qi nannte, eigentlich der Atem, in dessen Bild die
Dinge als von Systole und Diastole verdichtet entstanden gesehen wur-
den, wie schon die Neo-Taoisten (s. o.) behauptet hatten. Der Konfu-
zianer begriff die Dinge als Wesenheiten in jederlei Form, Gegenstän-
de, Ereignisse, Vorgänge, Geistiges wie Stoffliches, und ein Jedes konn-
te es selbst nur sein aufgrund des Welt-Äderchen (wenn ich das einmal
so nennen darf), das ihm je zugeeignet war, und durch die kosmische
Atemkraft. So auch der Mensch - er steht zwischen Himmel und Erde
als die mittlere der drei Weltpotenzen, der Himmel entstanden aus den
feinsten Teilen des Weltäthers (wie wir das Wort qi, Atem, auch über-
setzen), die Erde entstanden aus den gröbsten Teilen, und im Menschen
formt sich das Geistige entsprechend aus den feinen, das Leibliche aus
den gröberen Teilen des Äthers. Und wie nun das Himmelhafte als
Ausdruck des höchsten Guten gelten kann, so auch die sittliche Kraft in
der Natur des Menschen, und es müssen wohl die gröberen Teile des die
Welt durchwaltenden Äthers sein, welche das Gute trüben und so das
Böse möglich machen konnten. Aber der um Vervollkommnung be-
mühte Mensch konnte eine Bestätigung seines Mühens finden, indem er
sich einer kosmischen Bestimmung seiner sittlichen Existenz anvertrau-
en durfte, die dem Auftrag des Himmels an den Kaiser entsprach, Be-
stimmung und Auftrag sind Übersetzungen für dasselbe Wort ming. Ein
Vater hatte sein ming als Vater, dem er sich unterzog, versäumte er es,
seiner Bestimmung zu folgen, konnte er nicht mehr als Vater gelten. Es
war die Einbindung in das sittliche Beziehungsgeflecht, das den Men-
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gen Aller, den Taoisten die Verlängerung des Lebens ins mystische Tao
hinein, den Buddhisten die Gleichwerdung mit oder gar die Verleibli-
chung als Buddha in der Erwartung des Nirvana, und den Konfuzianern
die Erreichung des Ideals vom erleuchteten Weisen, in der Gestalt des
Lehrers oder des Herrschers. Aber nur sie erstrebten die konkrete Rea-
lisierung in der konkreten Welt, für die sie einen intuitiven Verstand
(wtl. Herz) supponierten, dem die Realität der grundsätzlich guten Na-
tur des Menschen im Rahmen einer als grundsätzlich gut verstandenen
Welt einsichtig werden konnte.
Den Konfuzianern erschien jedwedes Ding, alles Seiende, von einer
Art Grundmuster der Struktur des Kosmos bedingt, das die Chinesen li
nannten und ihre europäischen Übersetzer „Prinzip“, ohne sich klar zu
machen, daß von principium oder arche hier nicht die Rede sein kann.
Li sind nämlich zunächst die feinen Äderchen im Jadestein und so/eine
passende Metapher für das spezifisch Dinghafte jedes Dinges. Real wie-
derum wurden die Dinge erst durch eine kosmische gestaltgebende
Kraft, die der Chinese qi nannte, eigentlich der Atem, in dessen Bild die
Dinge als von Systole und Diastole verdichtet entstanden gesehen wur-
den, wie schon die Neo-Taoisten (s. o.) behauptet hatten. Der Konfu-
zianer begriff die Dinge als Wesenheiten in jederlei Form, Gegenstän-
de, Ereignisse, Vorgänge, Geistiges wie Stoffliches, und ein Jedes konn-
te es selbst nur sein aufgrund des Welt-Äderchen (wenn ich das einmal
so nennen darf), das ihm je zugeeignet war, und durch die kosmische
Atemkraft. So auch der Mensch - er steht zwischen Himmel und Erde
als die mittlere der drei Weltpotenzen, der Himmel entstanden aus den
feinsten Teilen des Weltäthers (wie wir das Wort qi, Atem, auch über-
setzen), die Erde entstanden aus den gröbsten Teilen, und im Menschen
formt sich das Geistige entsprechend aus den feinen, das Leibliche aus
den gröberen Teilen des Äthers. Und wie nun das Himmelhafte als
Ausdruck des höchsten Guten gelten kann, so auch die sittliche Kraft in
der Natur des Menschen, und es müssen wohl die gröberen Teile des die
Welt durchwaltenden Äthers sein, welche das Gute trüben und so das
Böse möglich machen konnten. Aber der um Vervollkommnung be-
mühte Mensch konnte eine Bestätigung seines Mühens finden, indem er
sich einer kosmischen Bestimmung seiner sittlichen Existenz anvertrau-
en durfte, die dem Auftrag des Himmels an den Kaiser entsprach, Be-
stimmung und Auftrag sind Übersetzungen für dasselbe Wort ming. Ein
Vater hatte sein ming als Vater, dem er sich unterzog, versäumte er es,
seiner Bestimmung zu folgen, konnte er nicht mehr als Vater gelten. Es
war die Einbindung in das sittliche Beziehungsgeflecht, das den Men-