P. J. Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht
21
Strafgesetze und Strafmaße58 wie in deren Zerstörung durch gesetzes-
fremde Milderungsgründe59. Aber, so muß weitergefragt werden,
hatte Kant durch seine scharfe Trennung von äußerer Legalität der
Handlung und innerer Moralität ihrer Triebfeder den Bereich beider
nicht schon in einem Maß voneinander abgeschieden60, das eine
Beimengung der Moralität in die Legalität a priori ausschloß? Und
waren ihm die rationalistischen Naturrechte darin nicht ebenso vor-
ausgegangen wie in ihrer Forderung nach dem Gesetz, insbesondere
jene Naturrechte, die den Geist der französischen Revolution und
ihres Gesetzesglaubens lenkten?
Nein, sie waren es nicht, jedenfalls nicht in einem für Feuerbach
befriedigenden Maße. Seine Theorie zielte auf die strikte Trennung
von Recht und Moralität. Kants Denken war primär auf die Mora-
lität gerichtet und ließ die Stellung des positiven Rechts sehr im
Zweifelhaften. Das Gewisseste für Kant war nicht das Preußische
Allgemeine Landrecht sondern das moralische Gesetz im Bewußt-
sein der Person61. Der begrenzte Einblick in die intelligible Welt
einer Freiheit angesichts des Pflichtbegriffes vom Kategorischen Im-
58 Revision I S. 123, 135, 243; Über die Strafe, S. 74. Diese Auffassung von Straf-
tatbestand und Strafmaß wirkt sich auch auf die Definition einer eng begrenzten
Stellung des Richters aus; vgl. Revision I S. 139/140, insbes. S. 199ff., 247. Zur
Stellung des Richters bei Feuerbach: Küper, Die Richteridee der Strafprozeß-
ordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967, S. 77f. Zum Analogieproblem
der vorausgegangenen Rechte: Zwengel, P. J. A. von Feuerbachs Leben und
Wirken, insbesondere seine Staats- und Strafrechtsauffassung auf naturrechtlicher
Grundlage, o. J. (nach 1963), S. 58.
59 Revision I S. XXIII/XXTV, 187, 191/192 (unter Hinweis auf die Milderungs-
praxis im Umgang mit der Carolina), 206 (gegen die causae mitigandi allgemein),
Revision II 10, 442.
60 Kant, Metaphysik der Sitten, AB 15 (Weischedel IV S. 324), AB 26, 27 (Wei-
schedel IV S. 332).
61 Kant unterscheidet (Metaphysik der Sitten, AB 24 (Weischedel IV S. 331)) zwi-
schen natürlichen, d. i. solchen Gesetzen, deren Verbindlichkeit auch ohne äußere
Gesetzgebung a priori erkannt wird, und solchen, die ohne äußere Gesetz-
gebung nicht verbinden. Inwiefern, um bei dem genannten Beispiel zu bleiben,
das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 aus Sätzen der einen oder der
anderen Zugehörigkeit sich zusammensetzt, müßte einem Vergleich mit dem
„Besonderen Teil“ von Kants Metaphysik der Sitten unterzogen werden. Sicher
ist aber, daß die äußere Gesetzgebung für Kant - ebenso wie die Religion in
Kants Religionsschrift von 1793/1794 - nur „innerhalb der Grenzen der bloßen
Vernunft“ ihren Geltungsgrund finden kann. Vgl. Busch, Die Entstehung der
kritischen Rechtsphilosophie Kants, 1979, S. 77, 88f. (m.w.N.).
21
Strafgesetze und Strafmaße58 wie in deren Zerstörung durch gesetzes-
fremde Milderungsgründe59. Aber, so muß weitergefragt werden,
hatte Kant durch seine scharfe Trennung von äußerer Legalität der
Handlung und innerer Moralität ihrer Triebfeder den Bereich beider
nicht schon in einem Maß voneinander abgeschieden60, das eine
Beimengung der Moralität in die Legalität a priori ausschloß? Und
waren ihm die rationalistischen Naturrechte darin nicht ebenso vor-
ausgegangen wie in ihrer Forderung nach dem Gesetz, insbesondere
jene Naturrechte, die den Geist der französischen Revolution und
ihres Gesetzesglaubens lenkten?
Nein, sie waren es nicht, jedenfalls nicht in einem für Feuerbach
befriedigenden Maße. Seine Theorie zielte auf die strikte Trennung
von Recht und Moralität. Kants Denken war primär auf die Mora-
lität gerichtet und ließ die Stellung des positiven Rechts sehr im
Zweifelhaften. Das Gewisseste für Kant war nicht das Preußische
Allgemeine Landrecht sondern das moralische Gesetz im Bewußt-
sein der Person61. Der begrenzte Einblick in die intelligible Welt
einer Freiheit angesichts des Pflichtbegriffes vom Kategorischen Im-
58 Revision I S. 123, 135, 243; Über die Strafe, S. 74. Diese Auffassung von Straf-
tatbestand und Strafmaß wirkt sich auch auf die Definition einer eng begrenzten
Stellung des Richters aus; vgl. Revision I S. 139/140, insbes. S. 199ff., 247. Zur
Stellung des Richters bei Feuerbach: Küper, Die Richteridee der Strafprozeß-
ordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967, S. 77f. Zum Analogieproblem
der vorausgegangenen Rechte: Zwengel, P. J. A. von Feuerbachs Leben und
Wirken, insbesondere seine Staats- und Strafrechtsauffassung auf naturrechtlicher
Grundlage, o. J. (nach 1963), S. 58.
59 Revision I S. XXIII/XXTV, 187, 191/192 (unter Hinweis auf die Milderungs-
praxis im Umgang mit der Carolina), 206 (gegen die causae mitigandi allgemein),
Revision II 10, 442.
60 Kant, Metaphysik der Sitten, AB 15 (Weischedel IV S. 324), AB 26, 27 (Wei-
schedel IV S. 332).
61 Kant unterscheidet (Metaphysik der Sitten, AB 24 (Weischedel IV S. 331)) zwi-
schen natürlichen, d. i. solchen Gesetzen, deren Verbindlichkeit auch ohne äußere
Gesetzgebung a priori erkannt wird, und solchen, die ohne äußere Gesetz-
gebung nicht verbinden. Inwiefern, um bei dem genannten Beispiel zu bleiben,
das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 aus Sätzen der einen oder der
anderen Zugehörigkeit sich zusammensetzt, müßte einem Vergleich mit dem
„Besonderen Teil“ von Kants Metaphysik der Sitten unterzogen werden. Sicher
ist aber, daß die äußere Gesetzgebung für Kant - ebenso wie die Religion in
Kants Religionsschrift von 1793/1794 - nur „innerhalb der Grenzen der bloßen
Vernunft“ ihren Geltungsgrund finden kann. Vgl. Busch, Die Entstehung der
kritischen Rechtsphilosophie Kants, 1979, S. 77, 88f. (m.w.N.).