P. J. Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht
25
des Einzelnen vor willkürlichem Zugriff72 sei es des Souveräns, sei
es eines Mitbürgers73, und er wollte auch als Staatsbürger diese Frei-
heit nicht bloß als Sicherheit und Außenschutz, sondern eben als
die Autonomie der Person, als Grund für das vernünftige Recht,
welches das Recht der Vernunft selbst ist74. Feuerbach hat auch
nach Ausformulierung seiner Strafrechtstheorie an einem allgemein-
gültigen Recht der Vernunft festgehalten, obwohl unter den Denkern
so viel Streit über dessen Inhalt bestehe. „Aber so fährt er bei
Gelegenheit so hohen Bekenntnisses fort:75 „Aber ich will allgemein-
geltend anerkannte Rechte, ich will eine unwandelbare, unzweifel-
hafte und unbezweifelte Erkenntnis derselben. Wo ist diese? - Sie
muß da sein, wenn der Staat sein soll.“ Sie muß da sein! Das war
72 Zutreffend: Hartmann (o. Anm. 21), S. 116, 145. Zur Selbständigkeit von Rech-
ten vor ihrer Sanktionierung durch den Staat und einem Widerstandsrecht gegen
diesen: Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. 28, 57; Anti-Hobbes,
S. 294; Gallas, P. J. A. Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“. Sitzungs-
berichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 1964, S. 23, 25, 28.
73 Insofern war dieser Teil seiner Theorie der Theorie vom Rechtsstaat zugehörig
(vgl. o. Anm. 36): Eb. Schmidt (o. Anm. 11), S. 238; Döring (o. Anm. 44),
S. 24, 37; Grünhut (o. Anm. 12), S. 89; Spendel, NJW 1958, S. 817; über
die Ambivalenz dieser „rechtsstaatlichen Liberalität“: Naucke, ZStW 87 (1975),
S. 862, 874, 875.
74 Deshalb kommt es auch zu einer doppelten Charakterisierung des Staatsbegriffs,
je nachdem, ob man ihn als Produkt des Staatsvertrags ansieht und auf Freiheit
gründet (Anti-Hobbes, S. X, 97, 198) oder ihn aus der Sicht des Strafrechts
auffaßt, wo er folgendermaßen beschrieben wird (Revision II S. 111):
„Das was die Strafgesetze postulieren (als Bedingung ihrer Realität fordern), ist
daher keineswegs innere Freiheit, sondern ein Zustand, in welchem alle vor allen
durch physische Macht gesichert sind, ein Staat.“ Diese Doppelseitigkeit wirkt
sich auch im Menschenbild aus. In „Über Philosophie und Empirie“ (S. 73) sagt
Feuerbach: „Als Mensch und philosophischer Denker ist er Richter über die
Gesetze des Staates, aber als Bürger ist er nur ihr Sklave.“
Eine Ausnahme aus dieser sonst seit 1799 durchgängig vertretenen These macht
eine Stelle in „Über die Strafe“ (S. 109), wo Feuerbach auch ein äußerliches
Freisein für möglich hält und die wechselseitige Einschränkung dieser Freiheit
als das Wesen des Rechts ansieht. Daß Feuerbach sich an dieser Stelle nur hypo-
thetisch in der Denkweise Grolmanns bewegt, ist zwar möglich, aber doch un-
wahrscheinlich. Kritisch zum Verhältnis von Vernunft und Recht schon in der
„Kritik des natürlichen Rechts“: Gallas (o. Anm. 72), S. 25, 28.
75 Über Philosophie und Empirie, S. 69. In seiner philosophischen Frühphase
hatte Feuerbach diesen Gedanken als dogmatischen festgehalten. Vgl. Kritik des
natürlichen Rechts, S. 249; Gallas (o. Anm. 72), S. 19.
25
des Einzelnen vor willkürlichem Zugriff72 sei es des Souveräns, sei
es eines Mitbürgers73, und er wollte auch als Staatsbürger diese Frei-
heit nicht bloß als Sicherheit und Außenschutz, sondern eben als
die Autonomie der Person, als Grund für das vernünftige Recht,
welches das Recht der Vernunft selbst ist74. Feuerbach hat auch
nach Ausformulierung seiner Strafrechtstheorie an einem allgemein-
gültigen Recht der Vernunft festgehalten, obwohl unter den Denkern
so viel Streit über dessen Inhalt bestehe. „Aber so fährt er bei
Gelegenheit so hohen Bekenntnisses fort:75 „Aber ich will allgemein-
geltend anerkannte Rechte, ich will eine unwandelbare, unzweifel-
hafte und unbezweifelte Erkenntnis derselben. Wo ist diese? - Sie
muß da sein, wenn der Staat sein soll.“ Sie muß da sein! Das war
72 Zutreffend: Hartmann (o. Anm. 21), S. 116, 145. Zur Selbständigkeit von Rech-
ten vor ihrer Sanktionierung durch den Staat und einem Widerstandsrecht gegen
diesen: Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts, S. 28, 57; Anti-Hobbes,
S. 294; Gallas, P. J. A. Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“. Sitzungs-
berichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 1964, S. 23, 25, 28.
73 Insofern war dieser Teil seiner Theorie der Theorie vom Rechtsstaat zugehörig
(vgl. o. Anm. 36): Eb. Schmidt (o. Anm. 11), S. 238; Döring (o. Anm. 44),
S. 24, 37; Grünhut (o. Anm. 12), S. 89; Spendel, NJW 1958, S. 817; über
die Ambivalenz dieser „rechtsstaatlichen Liberalität“: Naucke, ZStW 87 (1975),
S. 862, 874, 875.
74 Deshalb kommt es auch zu einer doppelten Charakterisierung des Staatsbegriffs,
je nachdem, ob man ihn als Produkt des Staatsvertrags ansieht und auf Freiheit
gründet (Anti-Hobbes, S. X, 97, 198) oder ihn aus der Sicht des Strafrechts
auffaßt, wo er folgendermaßen beschrieben wird (Revision II S. 111):
„Das was die Strafgesetze postulieren (als Bedingung ihrer Realität fordern), ist
daher keineswegs innere Freiheit, sondern ein Zustand, in welchem alle vor allen
durch physische Macht gesichert sind, ein Staat.“ Diese Doppelseitigkeit wirkt
sich auch im Menschenbild aus. In „Über Philosophie und Empirie“ (S. 73) sagt
Feuerbach: „Als Mensch und philosophischer Denker ist er Richter über die
Gesetze des Staates, aber als Bürger ist er nur ihr Sklave.“
Eine Ausnahme aus dieser sonst seit 1799 durchgängig vertretenen These macht
eine Stelle in „Über die Strafe“ (S. 109), wo Feuerbach auch ein äußerliches
Freisein für möglich hält und die wechselseitige Einschränkung dieser Freiheit
als das Wesen des Rechts ansieht. Daß Feuerbach sich an dieser Stelle nur hypo-
thetisch in der Denkweise Grolmanns bewegt, ist zwar möglich, aber doch un-
wahrscheinlich. Kritisch zum Verhältnis von Vernunft und Recht schon in der
„Kritik des natürlichen Rechts“: Gallas (o. Anm. 72), S. 25, 28.
75 Über Philosophie und Empirie, S. 69. In seiner philosophischen Frühphase
hatte Feuerbach diesen Gedanken als dogmatischen festgehalten. Vgl. Kritik des
natürlichen Rechts, S. 249; Gallas (o. Anm. 72), S. 19.