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Schulin, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1983, 2. Abhandlung): Burckhardts Potenzen- und Sturmlehre: zu seiner Vorlesung über das Studium der Geschichte (den Weltgeschichtlichen Betrachtungen)$dvorgetragen am 30. April 1983 — Heidelberg: Winter, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.47810#0015
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Burckhardts Potenzen- und Sturmlehre

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Völker.18 Burckhardt reagierte nicht völlig ablehnend, aber skeptisch
auf alle diese Muster und erfand ein neues Schema, in dem sich die ver-
schiedenen Längsschnitte in ihrer geschichtsbildenden Beziehung
zueinander sichtbar machen ließen, ohne zu einem Längsschnitt ver-
bunden zu werden, ein Schema also, das ihm Einsichten in die Ge-
schichtlichkeit, die Wandelbarkeit geistiger Gebilde versprach, ohne
daß er sich darauf festlegen mußte, was der Weltplan sein mochte, der
treibende Geist, Anfang und Ende und sinnhafter Verlauf, ob Fort-
schritt oder Kreislauf oder was sonst zu vermuten war. Dieses Schema
war seine Lehre von den drei Potenzen und ihren sechs Bedingtheiten,
mit deren Hilfe er unabhängig von der Chronologie die Verhältnisse in
den verschiedenen Jahrhunderten vergleichend betrachten konnte.
Der Begriff „Potenz“ ist dabei sicherlich nicht tief philosophisch, etwa an
Schelling anklingend gemeint, sondern gehört zu den zurücknehmen-
den, möglichst unanschaulichen, unbestimmten, emotionsfreien Aus-
drücken, die der anschauungs-und emotionsreiche Burckhardt in ge-
wissen, entscheidenden Punkten bevorzugte: so wie er auch „Wandel-
barkeit“ statt Entwicklung oder „Krise“ statt Revolution bevorzugte.19
Das neue Schema der Potenzenlehre bedeutete stofflich den ent-
scheidenden Schritt von der ursprünglich vorgesehenen quellenkund-
lichen Einführung in das Studium der Geschichte zu den weltge-
schichtlichen Betrachtungen (wenn dies auch erst der Titel ist, den
Oeri diesem Text gab). Die Anregungen zum Quellenlesen werden auf
„Winke für das historische Studium“ im Einleitungsteil verkürzt; das
Anliegen bleibt aber für Burckhardt doch so wichtig, daß er es bei der
letzten Wiederholung der Vorlesung in einem neuen Abschnitt „Zur
geschichtlichen Betrachtung der Poesie“ wiederaufnimmt und wenig-
stens die Dichtungen als geschichtliche Quellen empfiehlt.

18 Die Einflüsse sind bei Kaegi und Ganz so ausführlich behandelt, daß ich mich hier,
wie überhaupt bei Einzelnachweisen in der Entstehungsgeschichte, ganz kurz fassen
kann. Buckle tritt dort allerdings zusehr zurück. Auf seine Position in größerem
Zusammenhang weise ich hin in meinem Aufsatz: Das alte und neue Problem der
Weltgeschichte als Kulturgeschichte, in: Saeculum, Jahrbuch für Universalge-
schichte, Jg. 1982, Heft 2, S. 161-173.
19 Kaegi (wie Anm. 9), Bd. VI, S. 99ff. scheint mir die Begriffsbedeutung und die
Beziehung zu Schelling zu sehr aufzuwerten. Ein Anklang an Schellings (ganz
andere Dinge behandelnde) Potenzenlehre, für den vielleicht die auffallende Ver-
wendung des Wortes „Lehre“ spricht (Überschrift in den Zwischenblättem S. 173:
„Zur Lehre von den drei Potenzen“), wäre bei Burckhardt nur halbemst gemeint.
 
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