Die orientalisierende Epoche
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die Erschließung der Keilschriftkulturen neben der Entwicklung der Ägyptologie;
die Entdeckung der mykenischen Kultur; die Feststellung einer orientalisierenden
Phase in der Entwicklung der archaischen griechischen Kunst.
Die Klassische Philologie hat darauf nur zögernd und oft widerstrebend rea-
giert. Die mykenische Vorgeschichte allerdings wurde schließlich akzeptiert10, ja
mit der Entzifferung von Linear B als griechisch zur Selbstverständlichkeit. Die
Entwicklung der Keilschriftforschung mit ihren Anfangsschwierigkeiten - Gilga-
mes erscheint in Roschers Mythologischem Lexikon als Izdubar11 - konnte man
nicht ohne Herablassung aus der Feme verfolgen; als einige unmethodische Vor-
stöße die fundamentale Bedeutung der 'babylonischen’ Literatur für die Welt-
geschichte des Geistes propagierten, blieb den Theologen die Zurückweisung der
'Panbabylonisten’ überlassen12. Nur Außenseiter schrieben über 'Homer und Baby-
lon’13. Dagegen öffneten sich die Historiker für die neuen Dimensionen der Welt-
geschichte: Eduard Meyer konnte als einmalige, fundamentale Leistung seine
'Geschichte des Altertums’ (I 1884, 19133) vorlegen; in dem Kollektivwerk der
'Cambridge Ancient History’ ist die universale Intention weitergeführt14.
griffen“ (Der Glaube der Hellenen II, 1932, 403). Objektiver über die orientalisierende
Epoche: Glaube der Hellenen I (1931) 76; II (1932) 7. Daß Wilamowitz in Schulpforta
Hebräisch gelernt hat (Inwieweit befriedigen die Schlüsse der erhaltenen griechischen
Trauerspiele? ed. W. Μ. Calder III [1974] 116f.), hat er sich später nicht mehr an-
merken lassen.
10 Zu Wilamowitz’ spöttischer Zurückhaltung gegen Schliemann vgl. Erinnerungen (1928)
148. Die Verbindungen vom Mykenischen zu Homer wurden besonders in England
diskutiert. Eine einflußreiche Synthese gab Μ. P. Nilsson, Homer and Mycenae (1933)
(zur Forschungsgeschichte dort 19-30).
11 A. Jeremias RML II 773-823 (1890/4), mit Ablehnung der Lesung 'Gilgames’ Sp. 774.
Die übliche Schreibweise für 'Gilgames’ in der Ninive-Rezension ist GIS-GIN-MAS,
wobei Zeichen 296 i§ = gis, 595 tu = gin, 74 mas = bar. - Vgl. U. v. Wilamowitz-
Moellendorff, Die Heimkehr des Odysseus (1927) VI über die „hethitischen Entdeckun-
gen“ und „die Anfänge der Assyriologie, die ich miterlebt habe“: „auf dem Nachbargebiet
wartet man besser ab“.
12 Das Schlagwort „Babel und Bibel“ wurde durch zwei Vorträge dieses Titels von F. De-
litzsch (Berlin 1903) aktuell, die Bezeichnung „Panbabylonismus“ wurde 1906 von A. Jere-
mias aufgegriffen: Das Alte Testament im Lichte des alten Orients (19062 Vorwort;
1904 ’, 19304); ders., Die Panbabylonisten (1907); Handbuch der altorientalischen Geistes-
kultur (1913; 19292); dazu H. Winckler, Die babylonische Geisteskultur (1907; 19122);
P. Jensen, Das Gilgamesch-Epos in der Weltliteratur I/II (1906/28); vgl. Jensen (1912/3);
(1924).
13 Wirth (1921), -> III 1. Eine selbständige Auseinandersetzung von der Religionsgeschichte
aus versuchte nur Famell (1911), -* II 4.
14 Zu nennen sind auch C. F. Lehmann-Haupt und W. Otto, der das 'Handbuch der klas-
sischen Altertumswissenschaft’ 1920 ins 'Handbuch der Altertumswissenschaft’ umwan-
delte. Wichtig für orientalisch-griechische Beziehungen waren zuvor die Untersuchungen
von A. Boeckh und F. Hultsch zur Metrologie gewesen. - Gegen den Universalismus
der Cambridge Ancient History wandte sich H. Berve, Gnomon 7 (1931) 65-74.
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die Erschließung der Keilschriftkulturen neben der Entwicklung der Ägyptologie;
die Entdeckung der mykenischen Kultur; die Feststellung einer orientalisierenden
Phase in der Entwicklung der archaischen griechischen Kunst.
Die Klassische Philologie hat darauf nur zögernd und oft widerstrebend rea-
giert. Die mykenische Vorgeschichte allerdings wurde schließlich akzeptiert10, ja
mit der Entzifferung von Linear B als griechisch zur Selbstverständlichkeit. Die
Entwicklung der Keilschriftforschung mit ihren Anfangsschwierigkeiten - Gilga-
mes erscheint in Roschers Mythologischem Lexikon als Izdubar11 - konnte man
nicht ohne Herablassung aus der Feme verfolgen; als einige unmethodische Vor-
stöße die fundamentale Bedeutung der 'babylonischen’ Literatur für die Welt-
geschichte des Geistes propagierten, blieb den Theologen die Zurückweisung der
'Panbabylonisten’ überlassen12. Nur Außenseiter schrieben über 'Homer und Baby-
lon’13. Dagegen öffneten sich die Historiker für die neuen Dimensionen der Welt-
geschichte: Eduard Meyer konnte als einmalige, fundamentale Leistung seine
'Geschichte des Altertums’ (I 1884, 19133) vorlegen; in dem Kollektivwerk der
'Cambridge Ancient History’ ist die universale Intention weitergeführt14.
griffen“ (Der Glaube der Hellenen II, 1932, 403). Objektiver über die orientalisierende
Epoche: Glaube der Hellenen I (1931) 76; II (1932) 7. Daß Wilamowitz in Schulpforta
Hebräisch gelernt hat (Inwieweit befriedigen die Schlüsse der erhaltenen griechischen
Trauerspiele? ed. W. Μ. Calder III [1974] 116f.), hat er sich später nicht mehr an-
merken lassen.
10 Zu Wilamowitz’ spöttischer Zurückhaltung gegen Schliemann vgl. Erinnerungen (1928)
148. Die Verbindungen vom Mykenischen zu Homer wurden besonders in England
diskutiert. Eine einflußreiche Synthese gab Μ. P. Nilsson, Homer and Mycenae (1933)
(zur Forschungsgeschichte dort 19-30).
11 A. Jeremias RML II 773-823 (1890/4), mit Ablehnung der Lesung 'Gilgames’ Sp. 774.
Die übliche Schreibweise für 'Gilgames’ in der Ninive-Rezension ist GIS-GIN-MAS,
wobei Zeichen 296 i§ = gis, 595 tu = gin, 74 mas = bar. - Vgl. U. v. Wilamowitz-
Moellendorff, Die Heimkehr des Odysseus (1927) VI über die „hethitischen Entdeckun-
gen“ und „die Anfänge der Assyriologie, die ich miterlebt habe“: „auf dem Nachbargebiet
wartet man besser ab“.
12 Das Schlagwort „Babel und Bibel“ wurde durch zwei Vorträge dieses Titels von F. De-
litzsch (Berlin 1903) aktuell, die Bezeichnung „Panbabylonismus“ wurde 1906 von A. Jere-
mias aufgegriffen: Das Alte Testament im Lichte des alten Orients (19062 Vorwort;
1904 ’, 19304); ders., Die Panbabylonisten (1907); Handbuch der altorientalischen Geistes-
kultur (1913; 19292); dazu H. Winckler, Die babylonische Geisteskultur (1907; 19122);
P. Jensen, Das Gilgamesch-Epos in der Weltliteratur I/II (1906/28); vgl. Jensen (1912/3);
(1924).
13 Wirth (1921), -> III 1. Eine selbständige Auseinandersetzung von der Religionsgeschichte
aus versuchte nur Famell (1911), -* II 4.
14 Zu nennen sind auch C. F. Lehmann-Haupt und W. Otto, der das 'Handbuch der klas-
sischen Altertumswissenschaft’ 1920 ins 'Handbuch der Altertumswissenschaft’ umwan-
delte. Wichtig für orientalisch-griechische Beziehungen waren zuvor die Untersuchungen
von A. Boeckh und F. Hultsch zur Metrologie gewesen. - Gegen den Universalismus
der Cambridge Ancient History wandte sich H. Berve, Gnomon 7 (1931) 65-74.