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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0026
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Walter Burkert

Weltgeschichtliche Dynamik brach in diese kleinstaatliche Welt durch die Ex-
pansion Assyriens im 9. Jh. ein. Auch hier wird die Suche nach Rohstoffen, be-
sonders Metallen als ein treibendes Motiv angenommen. Jedenfalls hat Assur das
stärkste Heer der Zeit aufgebaut, mit immer weiter ausgreifenden Beutezügen und
Tributforderungen erfolgreich eingesetzt und so die erste Weltmacht begründet.
Die ersten Vorstöße nach Syrien erfolgten unter Assumasirpal (884-858) und Sal-
manassar III. (858-824); 877 stand zum ersten Mal eine assyrische Armee am
Mittelmeer. 841 wurde Tyros und Sidon zur Tributzahlung gezwungen, 834 auch
Tarsos in Kilikien. Die hethitischen Stadtstaaten mußten sich ebenso fügen oder
wurden zerstört. Zumindest auf Cypem müssen Griechen schon damals von der
östlichen Macht gewußt haben, zumal eben damals Phöniker von Tyros und Sidon
sich endgültig auf Cypem festsetzten; Kition wurde eine phönikische Stadt6.
Darüber hinaus griff die phönikische Expansion nach dem fernen Westen: 814 ist
das traditionelle Gründungsdatum für Karthago.
Nach Salmanassar trat die assyrische Macht eine Zeitlang am Mittelmeer nicht
in Erscheinung. Eben damals erfolgt der Vorstoß griechischer Handelsleute nach
Syrien. Seit Ende des 9. Jh. sind griechische Händler in Al Mina an der Orontes-
Mündung ansässig7; von dort gehen die Verbindungen nach Nordsyrien, Urartu,
und auf der kürzesten Karawanenroute bis Mesopotamien. Etwa gleichzeitig sind
Griechen in Tarsos8, etwas später in Teil Sukas9 nachgewiesen, auch aus Hama
und aus Res-al-Basid (Poseidonia) gibt es griechische Funde. Es laufen Beziehun-
gen zum nahegelegenen Cypem, doch vor allem nach Euboia10, wo die Aus-
grabungen in Lefkandi ein relativ wohlhabendes und dem Osthandel offenes Ge-
meinwesen des 10./9. Jh. nachgewiesen haben; im 8. Jh. steigt dann Eretria
neben Chalkis zur Blüte auf; doch auch Athen ist stets mit im Spiel. Von Chalkis
geht noch vor der Mitte des 8. Jh. der griechische Vorstoß nach Westen aus,
faßbar in der Handels- und Handwerkemiederlassung von Pithekussai-Ischia11.

6 V. Karageorghis, Kition, Mycenaean and Phoenician (1976); Excavations at Kition III
(1977) 7-10.
7 Woolley (1953); Murray (1982) 91-93; Boardman (1981) 41-59; Braun (1982) 7-11;
Riis (1982). Für spätere Datierungen (ab 750) J. P. Descoeudres Eretria VI (1978)
7-19; vgl. Coldstream (1982) 262.
8 Boardman (1965); (1981) 49.
9 Riis (1970), (1982).
111 West (1978a) 29f. und pointiert zusammengefaßt (1978b); nach seinem Hinweis (münd-
lich) deutet 'ferner als Euboia’ Od. 7, 321 aus Phäakensicht e contrario auf Euboia als
Zentrum der realen Welt. Vgl. auch P. Wathelet, La langue homerique et le rayonne-
ment litteraire de l’Eubee, AC 50 (1981) 819-33.
11 Die Funde, deren sensationellster der 1955 veröffentlichte 'Nestorbecher’ war, sind noch
nicht vollständig veröffentlicht. Vgl. G. Buchner bei Ridgway (1979) 129-44; Boardman
(1981) 195-99; Buchner (1982); zu ägyptischen Funden Hölbl (1979); zu den Schrift-
funden ->■ I 3, 5/6.
 
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