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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0037
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Die orientalisierende Epoche

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nicht in Frage kommen. In der hellenistischen Zeit sind die wandernden Hand-
werker, oi μεταπορευόμενοι τεχνΐται, ein fester Begriff48. Spätestens jetzt sind sie
auch im semitischen Orient selbstverständlich; so schreibt Jesus Sirach von den
Handwerkern: „und wenn sie am fremden Orte wohnen, brauchen sie doch
nicht zu hungern“49. So ist denn auch ein Teppichweber aus Tarsos zu einem
der weltgeschichtlich folgenreichsten Reisenden geworden: der Apostel Paulus.
Zurück zur archaischen Epoche: Man nimmt assyrische Handwerker in Urartu
an50, und auf eben diesem Weg verbreiteten sich offenbar die Metallarbeiten
zu den Skythen bis weit nach Asien. Die antike Tradition knüpft das Übergrei-
fen griechischen Handwerks nach Etrurien an Demaratos von Korinth, den Vater
des Tarquinius Priscus an, und läßt ihm Handwerker in Menge folgen51. Auch
ohne die Stütze dieser anekdotischen Überlieferung steht fest, daß griechische
Töpfer und Vasenmaler sich an verschiedenen nichtgriechischen Orten Italiens
etablierten. Im Orient ist demgegenüber zwar seit alters deutlich, daß gute Hand-
werker gesucht und sehr begehrt waren, eben darum aber versuchen die Könige
mit bürokratischen Machtmitteln möglichst über sie zu verfügen. Salomon läßt
sich zum Tempelbau eine ganze Truppe von Handwerkern schicken, die im Dienst
des Königs Hiram von Tyros standen52. Entsprechend erzählt der Achiqar-Roman,
wie der König von Ägypten sich beim Herrscher von Ninive einen Architekten
bestellt53. Wenn Sargon seinen Palast in Horsabad nach dem Vorbild eines 'hethi-
tischen Hilani’ erbaut54, hat er gewiß nicht gezögert, die kundigen Bauleute aus
Nordsyrien zu requirieren. Dokumente aus Mari zeigen, daß Handwerker vom
König als mobile Einheit organisiert und einsatzfähig gehalten wurden55. So ver-
säumt auch der Flutheros nicht, den Handwerkern einen Platz in der Arche zu
reservieren56. In einem hethitischen Staatsvertrag ist ausdrücklich stipuliert, daß
flüchtige Handwerker auszuliefem sind57. Eben hierin freilich zeigt sich auch die
Grenze der zentralen Organisation: der Flüchtling wird sich seine Chance ausge-
rechnet haben, selbständig am neuen Ort tätig zu werden. Briefe aus Mari

48 Μ. Wörrle Chiron 9 (1979) 83.
49 Sirac. 38, 30, nach dem syrischen Text, E. Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepi-
graphen des Alten Testaments I (1900) 422.
50 S. Kroll bei D. Ahrens (Hg.), Archäologie entdeckt Geschichte: Urartu (Hamburg
1979) 53.
51 Strab. 5 p. 220 εύπορία δημιουργών των συνακολουθησάντων οϊκοϋεν; Plin. n.h. 35,
152. Vgl. Plin. n.h. 12, 5 Helico ex Helvetiis ob ...fabrilem artem Romae commoratus...
52 1. Kön. 5, 32, 15-25; vgl. 20; Röllig (1982) 22.
53 Achiqar 16, 3, p. 204 Nau, p. 115 Rendell Harris (-* I 3, 30).
54 Luckenbill II (1927) § 100; 105.
55 Sasson (1968) 47.
56 Atrahasls p. 128f.; Gilgames XI 85.
57 J. Friedrich, Staatsverträge des Hatti-Reiches (1930) 77 § 18, Z 65-67 (ergänzt); Sasson
(1968) 51.
 
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