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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0049
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Die orientalisierende Epoche

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aufs Handwerk weist; κύανος als blaube Farbe dagegen wird vom hethitischen
kuwanna hergeleitet14 15. Wie komplex die Beziehungen sein können, zeigt der Fall
καυνάκης 'Wollmantel’: das Wort ist persisch und wurde sowohl ins Akkadische
als auch ins Griechische entlehnt13, wobei der Anklang an νάκος 'Schaffell’ seine
Rolle gespielt haben mag.
In den lebendigen Handel führt, neben dem Schiff γαΰλος, dem unentbehrlichen
Sack σάκκος und dem Markt μάκελλον16, vor allem die schon erwähnte 'Mine’
mana, μνα17, dazu das wichtige Wort für 'Anzahlung’, 'Depositum’, άρραβών.
Die 'Mine’ ist eine der geläufigsten griechischen Gewichts- und Geldbezeichnun-
gen geworden, ohne doch den Stempel ihrer mesopotamischen Herkunft zu ver-
lieren: hier, und zunächst nur hier, ist das babylonische Sexagesimalsystem ins
Griechische übernommen worden. Die nächsthöhere Einheit von 60 Minen, das
Talent, hat freilich seinen altgriechisch-indogermanischen Namen, der indirekt
auch im Mykenischen bezeugt ist. Dagegen findet sich im mykenischen Maß- und
Gewichtssystem, das gut bekannt ist, von 'Mine’ und Sexagesimalsystem keine
Spur. Hier liegt also eine sichere nachmykenische Entlehnung vor, die für die
griechische Wirtschaft fundamental geworden ist; sie verweist auf den Handelsweg
von Nordsyrien nach Karkemis am Euphrat.
Vermutlich gehen die Beziehungen weiter als strikt zu beweisen ist. Die 'Mine’
war vor allem das Gewicht zum Abwägen von Silber. Aus Zincirli stammen Silber-
barren, 'Minen’ von offenbar standardisiertem Gewicht, in die der Name des
Königs Barrakib (732-720) eingeritzt ist18; es handelt sich um bemerkenswerte
Vorläufer geprägten Geldes. Solches 'Einritzen’ heißt auf akkadisch haräsu, auf
griechisch χαράξαι19; das griechische Wort wird dann in der 2. Hälfte des 7. Jh.
zum Terminus für die Münzprägung, obwohl dabei nicht eigentlich die Münze,
sondern allenfalls der Münzstock, der nun χαρακτήρ heißt, 'geritzt’ wird. Die Ter-
minologie weist also auf ein Verfahren zurück, das dem 'Schlagen’ der Münzen
vorausliegt und für das eben die 'Talente’ von Zincirli die Anschauung liefern.

14 Chantraine (1968/80) 594.
15 Chantraine (1968/80) 212.
16 Chantraine (1968/80) 660.
17 Masson (1967) 32-4. Standardgewicht war die Mine von Karkemis, Oppenheim (1967/9)
239, 8. - Zu τάλαντον Chantraine (1968/80) 1089.
18 Sendschirli V 119ff., T. 58; zur Diskussion, inwieweit es sich um eine Vorform von
Münzprägung handelt, Μ. S. Balmuth, AJA 67 (1963) 208; id. in: D. G. Mitten et al.
(ed.), Studies pres. to G. Μ. A. Hanfmann (1971) 1-7; N. F. Parise, Dialoghi di Archeo-
logia 7 (1973) 382-91.
19 Erwähnt LSJ, nicht bei Masson (1967); «hypothese ... en tout cas aberrante» Chantraine
(1968/80) 1247. Semitisch h ist im Alphabet als h übernommen, doch akk. hura§u ent-
spricht χρυσός (vgl. Septuaginta Ham = Χαμ; wieder anders der Bergname Hazzi -
Κάσιος; Hemberg [1950] 129; 320). Haräsu für 'einritzen’ = 'schreiben’: Gilgames I 1, 8.
 
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