Metadaten

Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0050
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40

Walter Burkert

Zufall oder Entlehnung? Vom gleichen Stamm bildet das Akkadische den Namen
für den Befestigungsgraben, harisu, während griechisch der Pallisadenwall oder
auch der einzelne Schanzpfahl χάραξ heißt; solch eine Verbindung zweier nicht
natürlicherweise benachbarter Bedeutungsfelder in zwei verschiedenen Sprachen ist
zumindest anfallend. Angefügt sei die Beobachtung, daß die distributive Verwen-
dung der Präposition άνά im Griechischen zumal in Verbindung mit Zahlen,
'jeweils’, von der Grundbedeutung 'hinauf recht weit abliegt, aber gerade mit der
entsprechenden Verwendung der akkadischen Präposition ana zusammenfällt20.
Fassen wir hier syrischen Kaufmanns-Slang, wie ja auch das französische ä in
deutsche Rechnungsbücher eingedrungen ist?
Zurück zum Sicheren, Anerkannten: Für den Bereich der Handwerker tritt
als deutlichste Entlehnung das Wort κανών ein. Gewiß ist das allgemeinere Wort
für Schilfrohr, canna, in der ganzen mediterranen Welt geläufig; aber die spezielle
Verwendung als Meßrohr, akkadisch qan mindati, hebräisch qane hammiddah, ist
so gut bezeugt21, daß niemand annehmen wird, die Griechen seien von sich aus
und unabhängig auf diesen Gebrauch von Schilfrohr verfallen. Damit allerdings
erweist sich ein Grundbegriff der Baukunst als importiert. Dazu kommen τίτανος
'Kalk’22 und γύψον 'Gips’23 24, vor allem aber der Lehmziegel πλίνθος aus akkadisch
libittu, *libintu1A’, so hat auch das Grundwort mesopotamischer Architektur seinen
Weg nach Griechenland gefunden. Wie die Germanen offenbar erst von den
Römern lernten, eine feste 'Mauer’ im Gegensatz zur lockeren 'Wand’ zu bauen,
haben die Griechen von östlichen Baumeistern das rechte Mauern nach Maß mit
Ziegel, Kalk und Gips gelernt. Auch das Wort für 'Axt’, άξίνη, klingt mit akka-
disch hassinnu zusammen25 26, und das nachmals so berühmte Wort für 'Bude’
oder 'Zelt’, σκανά, ist offenbar ein assyrisch-aramäisches maskanu16·, nur ob dies
eher aus dem Handwerker- oder dem Soldatenbereich stammt, bleibt fraglich.
Was die Handwerker betrifft, wird auf die charakteristische Bezeichnung als 'Söhne
der Handwerker’ zurückzukommen sein27. Möglicherweise ist das stolze Wort

20 AHw 48a. Zum distributiven άνά Th. Horovitz, Vom Logos zur Analogie (1978) 137-44.
21 AHw 898 vgl. 650. Entlehnungen von qanü „höchstwahrscheinlich durch mehrere ana-
tolische Sprachen“ behauptet H. Kronasser Kratylos 7 (1962) 163.
22 tidu 'Lehm’ AHw 1391, 1) „zum Bauen und Verputzen“, hebr. ftt; nicht erwähnt in den
etymologischen Lexika von Boisacq, Frisk, Chantraine s.v. τίτανος oder bei Massen
(1967). Zur Assoziation mit den 'Titanen’ -> III 1 Anm. 28/9.
23 Salonen (1974) 139; AHw 282 gassu.
24 Brown (1968) 182; Szemerenyi (1974) 149; Stamm labänu (AHw 522) 'streichen’.
25 Hemmerdinger (1970) 45; AHw 332. Salonen (1974) 144 stellt auch σφήν 'Keil’ mit akk.
suppinu zusammen, doch ist nach AHw 1060 die Bedeutung dieses Wortes unsicher.
26 Szemerenyi Gnomon 53 (1981) 114; maskanu assyrisch, aramäisch 'Zelt’ AHw 627.
Stamm sakänu 'aufstellen’; hebr. miskän.
27 -* II 1, 30.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften