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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0061
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Die orientalisierende Epoche

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kien mitgebracht und an die Kinyraden weitergegeben zu haben16; auch der be-
sondere Rang der Leberschau bei den Orakelpriestern des karischen Telmessos17
dürfte an die Epoche erinnern, als vor und neben den Griechen karische Söldner
sich im Orient tummelten.
Plastische Lebermodelle sind, soweit bisher bekannt, ins eigentliche Griechen-
land nicht gelangt. Doch eine andere kuriose Denkmälergattung, die auf die Ein-
geweideschau Bezug nimmt, ist das TIumbaba-Gesicht’, das ganz aus Darmschlin-
gen geformt werden kann18. Man kennt es aus mesopotamischen Fundstätten;
ein charakteristisches Exemplar aber ist auf der Akropolis von Gortyn zutage
gekommen, in einem Heiligtum, wo die Anwesenheit orientalischer Handwerker
und Seher im 8. Jh. durch die Architektur wie durch die Gründungsopfer so-
wieso wahrscheinlich gemacht wird19. Man kann das 'Humbaba-Gesicht’ von Gor-
tyn als ein kurioses Souvenir abtun, doch kann es auch ein zusätzliches, bestäti-
gendes Indiz sein für die Ausbreitung östlicher Seherkunst nach Westen.
In der Tat gibt es auffällige Übereinstimmung in der babylonischen und der
westlichen Terminologie der Hepatoskopie. Fürs Etruskische freilich muß für uns
das Griechische und Lateinische eintreten. Das System ist nicht identisch; die
strenge Reihenfolge der Untersuchung von zehn Leberteilen in assyrischer
Lehre20 hat keine Parallele. Doch eine ganze Reihe gerade der griechischen Ter-
mini wirkt wie eine Übersetzung aus dem Akkadischen: Hier wie dort hat die
Leber ein 'Tor’, einen 'Kopf, einen 'Fluß’, einen 'Pfad’21. Betrachtet man die
Benennung der vielgestaltigen Leberlappen wie einen Rohrschach-Test, ist die
Übereinstimmung doch wohl mehr als Zufall. Tiefer greift die im Akkadischen

16 Tac. Hist. 2, 3, 1 scientiam artemque haruspicum accitam et Cilicem Tamiram intulisse ...
ipsa, quam intulerant, scientia hospites cessere: tantum Cinyrades sacerdos consulitur.
Bouche-Leclercq I (1879) 170 verbindet damit auch den Kult des Zeus Splanchnotomos
(Hegesandros Ath. 174a) und die 'Erfindung’ des Opfers auf Cypern (vgl. Burkert [1975]
76f.). Hdt. 2, 58 führt die Opfermantik auf Ägypten zurück, wofür jeder Anhalt fehlt.
17 Hsch. πυλαι = Aristoph. Fr. 540; Cic. div. 1, 91; -* I 2, 65.
18 Oft abgebildet ist das Exemplar aus dem British Museum 116624: Elements (1960) pl. Ila;
Caquot-Leibovici (1968) gegenüber S. 32; Th. Jacobsen, The Treasures of Darkness (1976)
194 (datiert 700/500). S. Smith, The Face of Humbaba, Annals of Archaeology and Anthro-
pology 11 (1924) 107-14; id. JRAS (1926) 440-2.
19 Rizza-Santa Maria Scrinari (1968) 206-2, T. XXXII nr. 215. -* II 3, 10.
20 Nämlich mazzäzu Ort’, padänu 'Pfad’, danänu 'Stärke’, bäb ekalli 'Tor des Palastes’,
sulmu(T), martu 'Galle’, padän sutnel marti 'linker Gallenpfad’, ubänu 'Finger’, riiru 'Joch’,
sibtu 'Zusatz’ (processus papillaris), Jeyes (1978).
21 Zu griechischen Termini Thulin II (1907) 50-54; Rufus Onom. 158, 5f. ed. Daremberg-
Ruelle (πυλαι, τράπεζα, μάχαιρα, ονυξ); πυλαι Eur. El. 828, Aristoph. Fr. 540 etc. - bäb
ekalli', κεφαλή Plut. Kim. 18d; caput Thulin ib. 30-4 - res amütim 'Kopf der Leber’ AHw
46b; res ubänim 'Kopf des Fingers’ 975a; ποταμός Hsch. - när amütim 'Fluß der Leber’
AHw 46b, Thulin ib. 54; κέλευϋος Hsch. άκέλευθα - padänu·, vgl. auch μάχαιρα (Rufus
a.O.) und die 'Waffe’ in der Leber AHw 46b. Vgl. Nougayrol (1955) 512.
 
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