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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0066
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Walter Burkert

men beigesetzt6. Das zweite Depositum, unter dem Artemistempel von Ephesos,
ist besonders reich und aufsehenerregend; um seine Datierung wird immer noch
gerungen, zumal auch die Datierung der ältesten Elektronmünzen mit an dieser
Frage hängt; die Optionen schwanken zwischen 650/30 und 6007.
Schlichter und andersartig ist das Gründungsopfer, das beim Tempel auf der
Akropolis von Gortyn festgestellt wurde: Neben der Tempelmauer waren zwei
Gruben angelegt, in denen Reste von Tierknochen und von organischen Spenden,
Brei-Libationen offenbar, nebst kleinen Gefäßen lagen; alles war durch Stein-
platten sorgsam abgedeckt worden, auf denen nochmals Feuer entzündet worden
war8. Eher fanden also Opferrituale in einer Form statt, wie wir sie auch aus
späteren griechischen und lateinischen Texten kennen: erst wird 'in die Grube’, den
βόθρος, geopfert, dann wird diese zugedeckt und darüber ein dauerhaftes Mal,
ein Grenzstein, ein Gott 'errichtet’9. Doch wie die Ausgräber für die Architektur
des Gebäudes, das sie auf etwa 800 datieren, auf Späthethitisches verwiesen,
haben sich auch die Gründungsopfer aus gleicher Perspektive beurteilt: auch Tier-
opfer und Libationen sind, wenn auch in wenig spezifischer Form, in Mesopota-
mien als Bauopfer bezeugt10.
Spezieller ist jenes Begraben von kleinen Wertgegenständen, besonders Metall-
stückchen: Hier hat sich offenbar eine mesopotamische Praxis ausgebreitet, wo-
bei der entscheidende Sprung über die Ägäis mit der Auswanderung von Hand-
werkern um 800 sich fassen läßt. Mit solcher Praxis muß freilich nicht viel an
geistiger Welt übernommen werden, kein Pantheon, keine Mythen; das Verfahren
wird selbst in den östlichen Texten nicht eigentlich verbal erklärt11. Zu genügen
scheint die im Akt inhärierende Überzeugung, daß wertvolle Hingabe dauerhaf-
ten Wert und ungestörten Besitz schaffen werde. Doch eines zeigen gerade die
östlichen Texte: so sehr der Bauherr sich selbst in den Vordergrund drängt, die

6 H. Galtet de Santerre, J. Treheux BCH 71/2 (1947/8) 148-254; H. Gallet de Santerre,
Delos primitive et archaique (1958) 129; V. R. d’A. Desborough, The Last Mycenaeans
and their Successors (1964) 45f.; er nimmt an, man habe die mykenischen Objekte zu-
fällig beim Bau gefunden und wieder vergraben; gerade dies ließe sich mit assyrischem
Brauch, nach dem 'alten temennu’ beim Bauen zu suchen (Ellis [1968] 147-50) zu-
sammennehmen.
7 P. Jacobsthal JHS 71 (1951) 85-95; L. Weidauer, Probleme der frühen Elektronprägung
(1975) 72-80; Boardman (1981) 118. A. Heubeck Kadmos 22 (1983) 62.
8 Rizza-Santa Maria Scrinari (1968) 24f.
9 Inschrift über die Errichtung einer Apollon-Statue zur Bannung einer Pest aus Kallipolis,
Chersonnes, K. Buresch, Klares (1889) 81-6, J. Krauss, Die Inschriften von Sestos
(1980) Nr. 11. - Grenzstein: Gromatici ed. Lachmann I 141.
10 Ellis (1968) 42f.
11 Ellis (1968) 138-40; 167f: “to enhance the value of the building and the validity of
the ceremonies connected with its construction” (140).
 
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