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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0086
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Walter Burkert

verdienten sie so gut wie die anderen Asklepios zugeordneten Gottheiten Be-
rücksichtigung. 'Hunde und Hundeführer’ kommen als Empfänger eines Voropfers
auch in einer grotesken Kultparodie beim Komiker Platon vor6. Dies war also ein
bekanntes, irgendwie auffälliges Detail. Die seltsame Regelung wird lebendig und
sinnvoll, sobald man die Statuetten vom Heraion sich vorstellt, die schon durch
ihre Existenz eine eigentümliche ostwestliche Verständigung in Sachen Heilgott-
heiten anzeigen.
Dazu kommt an anderem Ort nun doch ein Sprung in die sprachliche Evi-
denz. Gula die Heilgöttin, Patronin von 'Hunden und Hundeführem’, heißt su-
merisch-babylonisch azugallatu, 'die große Ärztin’7. Auf der Kykladeninsel Anaphe
bei Thera, und nur dort, wird Apollon als Ασγελάτας verehrt, mit einem Fest
Asgelaia gefeiert8. Der ungriechisch klingende Name hat wiederholt Aufmerk-
samkeit erregt, zumal er an den nicht weniger rätselhaften Namen Asklapios an-
zuklingen scheint9. Az(u)gallat(u) und Asgelat(as), die lautliche Übereinstimmung
ist, zumal wenn man die wandelbaren Morpheme wegläßt, vollkommen; der Wort-
körper ist kompliziert genug, um Zufall praktisch auszuschließen, und die Be-
deutung fügt sich aufs beste: 'Arzt’ zu sein, ist doch eine der wichtigsten Auf-
gaben des Apollon, der ausdrücklich 'Arzt’ genannt wird10. Allerdings ist eine
Konsequenz dieser Deutung, daß der Festname Asgelaia eine Rückbildung aus
dem im Sinn griechischer Suffixbildung verstandenen Namen Asgelatas ist. Wird
die Gleichsetzung akzeptiert, so ergibt sich, daß einmal auf dieser Insel anläß-
lich einer Seuche ein Heiler und Kultstifter den Titel der mesopotamischen azu-
gallatu ins Spiel brachte und damit zu Erfolg kam: Seither verehrte man dort
Apollon Asgelatas, wie nach der großen Pest den Apollon Epikurios in Bassai11.
Dann ist Apollon Asgelatas der direkteste Beweis für das Eindringen von charis-
matischen Praktikern östlicher Tradition ins archaische Griechenland.
Wie die griechische Sprache dergleichen absorbiert und verdrängt, ist gerade
am Beispiel des Asgelatas evident: früh schon tritt die Nebenform Aiglatas auf,
Apollon vom strahlenden Himmel; sie wird auch in den Argonautenmythos über-
nommen, sie tritt in Weihungen bereits im 5. Jh. v. Chr. auf12. Wer möchte

6 Fr. 174, 16. CAF I 648 = Ath. 442 a, aus 'Phaon’; κυσίν τε και κυνηγέταις ist über-
liefert, von Kock falsch geändert; Versanfang korrupt: πύργης τέταρτης; lies πύρνου τέ-
ταρτη 'ein Viertel Weizenkuchen’?
7 Fuhr (1977); AHw 92b; äsjä 'Arzt’ auch aramäisch-syrisch geläufig.
8 IG XII 3, 248 = LSCG 129 = SIG 977 Zeile 8; 27 (Ende 2. Jh. v.); Asgelaia IG XII
3, 249; Nilsson (Anm. 3) 175f.
9 U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Isyllos von Epidauros (1886) 93. - Eine hethitische
Etymologie für Asklepios schlägt Szemerenyi (1974) 155 vor.
10 Apollon latros, Aristoph. Av 584; Plut. 11 etc.
11 Paus. 8, 41, 7-9.
12 IG XII 3, 412 (5. Jh. v. Chr., Thera); IG XII 3, 259; 260 (Anaphe); Apoll. Rh. 4, 1716.
Personenname Aiglatas: Jeffery (1961) 199, Nr. 22.
 
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