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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0089
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Die orientalisierende Epoche

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nehmen ist dies allenfalls für den speziellen Namen, der einmal der Babyloni-
schen Sibylle gegeben wird, Sambethe, zumal es zugleich heißt, sie sei als Schwie-
gertochter Noahs in der Arche dabei gewesen11. Auch mit Berossos wird die
Babylonische Sibylle in Verbindung gebracht, was aber allenfalls in die Helle-
nistische Epoche weist. Für die archaische Zeit muß nachdenklich machen, daß
in ganz anderem Zusammenhang Verbindungen speziell nach Delphi zu laufen
scheinen, nämlich in Bezug auf das Kalendersystem mit Schaltmonaten nach dem
Prinzip der babylonischen Oktaeteris; dies hat Martin Nilsson herausgearbeitet12.
Astronomisches Wissen ist immer wieder aus dem Zweistromland zu den Grie-
chen gekommen. Die Ausgestaltung der penteterischen Spiele, insbesondere der
Olympiaden, setzt die Fixierung des Kalenders nach den Regeln der Oktaeteris vor-
aus. Dies führt auf das traditionelle Datum der 'ersten Olympiade’, 776. Etwa um die
gleiche Zeit setzt auch der große Aufschwung von Delphi ein. Die Unsicherheits-
faktoren bei solchen Überlegungen bedürfen kaum der Hervorhebung; selbst wenn
die frühe Olympiadenliste als authentisch gelten darf, besagt sie noch nichts
über den Zeitplan der frühen Spiele. Trotzdem darf die von Nilsson gezogene Linie
Babylon-Delphi nicht ganz aus dem Blick geraten. Die Entsprechungen in Reini-
gungs- und Heilungsritualen, auf die Nilsson nicht geachtet hat, kommen ja dazu.
Auch daß man vor der Seance der Pythia eine Ziege mit Wasser besprengt und
ihre Reaktion beobachtet, hat eine Parallele in Mesopotamien13. So könnte denn
auch die ekstatische Prophetie der Pythia in solcher Perspektive zu sehen sein:
hat, parallel zur Ausbreitung der Leberschau, auch die direktere Art der Prophetie
sich damals gegenüber älterer Losungspraxis und Vogelbeobachtung durchgesetzt
und Delphis Ruhm mitbegründet?14. Auf die Versuchung, sogar den Namen
Apollons aus dem Babylonischen herzuleiten, sollte man aber verzichten15.
II (1906) 927; H. Lewy Philologus 57 (1898) 350f.; F. Ellermeier, Sibyllen, Musikanten,
Haremsfrauen (1970) 7-9; R. B. Coote, Journal of North West Semitic Languages 5
(1977) 3-8.
11 Schol. Plat. Phdr. 244b = Nikanor FGrHist 146. - Berossos FGrHist 680 F 7, vgl. Höfer
RML IV 264-9.
12 Μ. P. Nilsson, Die älteste griechische Zeitrechnung, Apollon und der Orient, ARW 14
(1911) 423-48 = Opuscula Selecta I (1951) 36-61; Die Entstehung und religiöse Be-
deutung des griechischen Kalenders (1918, 19622). Einiges an Nilssons Thesen ist über-
holt, insbesondere insofern jetzt mykenische Monatsnamen bekannt sind. Der Grund-
gedanke bleibt wichtig. Vgl. B. C. Dietrich, Reflections on the Origins of the Oracular
Apollo, BICS 25 (1978) 1-18.
13 Plut. Def. or. 435c, 437b - “sprinkling an ox with water to observe its reaction” Reiner
(1960a) 25; 28.
14 Vgl. auch K. Latte, The coming of the Pythia, HThR 33 (1940) 9-18.
15 Assoziiert mit akk. abullu, aram. abül 'Stadttor’, E. Simon, Die Götter der Griechen
(1967) 132; mit akk. aplu 'Erbe, Sohn’, H. Lewy, Wochenschrift für klass. Philol. 10
(1893) 860.
 
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