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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0104
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Walter Burkert

Diwija erinnert8. Jedenfalls hat die Mutter der Aphrodite in der Ilias einen Namen,
der einfach als Femininbildung zu 'Zeus’ durchsichtig und verständlich ist. Dies
ist unter den individualisierten Eigennamen der homerischen Götterfamilie ein
Unicum. Genau dieses aber hat sein Gegenstück in dem akkadischen Text, denn
Antu ist die normale und durchsichtige Femininbildung zu Anu dem Himmels-
gott. In Kult und Mythos Mesopotamiens ist dieses Paar fest etabliert.
Will man den Zufall nicht über Gebühr strapazieren, muß man konstatieren,
daß hier Umsetzung aus einem akkadischen Klassiker nicht nur die erzählerische
Gestaltung einer Götterszene, sondern sogar die homerische Göttermythologie ge-
prägt hat. Dies ist dann, auf etwas anderem Niveau, ein Gegenstück zur Ur-
mutter Tethys beim 'Berückungsdichter’. Die Diomedes-Tradition weist einerseits
nach Argos, wo insbesondere die Wagenfahrt des Pallas-Bildes mit dem Schild des
Diomedes das unmittelbare rituelle Gegenstück zum zweiten Teil der homerischen
Diomedie darstellt9; andererseits führt sie nach Salamis auf Cypem: dort soll es
bis in frühhellenistische Zeit ein Menschenopfer für Diomedes und Agraulos ge-
geben haben, im Tempelbezirk, der auch Athena gehörte, vollzogen im Monat
Aphrodisios; das Opfer wurde mit einer Lanze getötet und verbrannt10. Sehr
seltsam scheinen hier die Namen Diomedes, Athena, Aphrodite um eine Lanzen-
Tötung gruppiert; das Ritual des Holokausts hat an Semitisches erinnert1 *; jeden-
falls weist so ein Aspekt der Diomedes-Tradition, der mit der Aphrodite-Szene
der homerischen Diomedie sich zusammensehen läßt, auf die Insel zurück, wo
Griechisches und Orientalisches am intensivsten in Kontakt standen und wo just
in der homerischen Epoche die assyrischen Könige herrschten12. In solcher Si-
tuation erscheint die Berührung von akkadischem und homerischem Epos kaum
mehr erstaunlich.

8 Dione erscheint Hes. Theog. 17 in einem Homer-nahen Katalog, vgl. West (1968) 156
z.d.St.; als Okeanine Hes. Theog. 353. Vgl. Escher RE V 878-80, auch zum Kult in
Dodona; Strab. 7 p. 392 behauptet, Dione sei dort sekundär. G. Murray, Five Stages of
Greek Religion (1925) hielt Dione für primär gegenüber Hera; dies ist durch Linear B
widerlegt. Zu Diwija: Μ. Gerard-Rousseau, Les mentions religieuses dans les tablettes
myceniennes (1968) 67-70. Das Suffix -ώνη ist in der epischen Sprache produktiv, vgl.
(Danae) Άκρισιώνη, II. 14, 319; (Helena) Άργειώνη Hes. Fr. 23a20 u.ä.
9 Kallim. Hy. 5, 'Schild des Diomedes’ V. 35; W. Burkert, Zeitschrift für Religions- und
Geistesgeschichte 22 (1970) 361f.; so ist Diomedes auch im Schiffskatalog in Argos an-
gesiedelt, II. 2, 559-68. Im übrigen ist Diomedes unsterblich. Vgl. auch 0. Andersen,
Die Diomedesgestalt in der Ilias, Symb. Oslo. Suppl. 25 (1978).
10 Porph. Abst. 2, 54f. (nicht aus Theophrast). Weder der 'König von Cypern’ (d.i. Sala-
mis?) Diphilos noch der 'Theologe’ Seleukos läßt sich bestimmen oder datieren; der
Name des 'Theologen’ ist kaum vor der Alexanderzeit zu erwarten, nach dem Tod des
Nikokreon (310) aber gab es keine Könige mehr auf Cypern, vgl. RE 'Salamis’ I A 1835.
11 Abgelehnt von F. Schwenn, Die Menschenopfer bei den Griechen und Römern (1915)
71f.
12 - I 1, 19; III 3, 12.
 
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