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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0110
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Walter Burkert

Vom Krieg der Sieben gegen Theben freilich, der literarisch weit berühmter
war, sind keine archäologischen Spuren zu erwarten: die sieben Tore und die
Mauern blieben ja, laut Überlieferung, damals unerstürmt, der Angriff verwandelte
sich in den Untergang der Angreifer. Das Epos, das diese Kämpfe zum Inhalt
hatte, war offenbar das Zentrum des Thebanischen Kyklos. Sein Inhalt ist an
mehreren Stellen unserer Ilias vorausgesetzt. Insbesondere dürfte die formelhafte
Bezeichnung vom 'siebentorigen Theben’, Θήβης έπταπύλοιο (II. 4, 406; Od. 11,
263) aus der Thebanischen Epik übernommen sein5.
Gerade hier aber setzt das Problem der Realität ein: Es macht Schwierig-
keiten, sich die 'siebentorige Stadt’ in der Bronzezeit vorzustellen. Eine myke-
nische Festung mit sieben Toren sich zu denken ist unsinnig. Der Flügel, auf dem
noch die heutige Stadt Theben liegt und wo in zentralen Sektionen Funde
aus dem mykenischen Palast zutage kamen, ergibt für die damalige Zeit ja auch
eine ganze Stadt. Die lokalen Archäologen haben an seinem Rand denn auch die
sieben Tore seit langem eingetragen6. Doch fehlt es schon wegen der ständigen
Überbauung an archäologischen Befunden. Andere haben festgestellt, daß der
Hügel natürlicherweise drei, nicht sieben Zugänge hat. Die spätere griechische
Stadt griff weit in die Ebene aus und war entsprechend ummauert. Wilamowitz
hat 1891 kühl erklärt, die sieben Tore seien offenbar nur um der sieben Angreifer
willen im Epos angesetzt, erzählerische Symmetrie, die mit der Wirklichkeit nichts
zu tun hat.
Eben die Angreifer aber sind ein merkwürdiger Haufe: ihre Namen variieren,
ohne daß das Älteste sich mit Sicherheit rekonstruieren ließe; es ist nicht einmal
klar, ob der Anführer Adrastos und der Anlaß des Unternehmens, der vertriebene
König Polyneikes, mitzuzählen sind7. Einige der Helden, wie wir sie aus Aischy-
los kennen, haben eine sehr starke Eigenprägung; so der göttlich verehrte Am-

5 Fragmente bei T. W. Allen, Homeri Opera V (1912) 112-4; vgl. Burkert (1981a) 29-34;
ausführlichste Untersuchung der ganzen Überlieferung des thebanischen Epenzyklos bei
C. Robert, Oidipus (1915).
6 Seit Keramopoullos, vgl. die Karte RE V A 1425f., danach N. D. Papachatzis, Παυσανίου
Περιήγησις V (1981) 64f.; Th. G. Spyropoulos Minos Suppl. 4 (1975) 62. S. Symeonoglou,
On the Topography of Prehistoric Thebes, in: Actes du 2e Congres international sur la
Beotie antique, Montreal 1973 (1979), 3-6; K. Demakopoulou, D. Konsola, Archaeologi-
sches Museum Theben: Führer (1981) 22. Die Existenz der 7 Tore wurde bestritten von
U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Die sieben Tore Thebens, Hermes 26 (1891) 191-242 -
Kleine Schriften V 1 (1937) 26-77, bes. 228 = (1937) 62f., danach F. Schober RE V A
1429f. („drei Tore ... entsprechen allein der Lage auch der heutigen Stadt, die auch nur
drei Ausgänge kennt“ 1429); Howald (1939) 3; P. J. Reimer, Zeven tegen Thebe,
Diss. Amsterdam (1953).
7 Älteste Listen bei Aisch. Sept. 375-652 und vom Argivischen Weihgeschenk in Delphi,
Paus. 10, 10, 4; vgl. Apollod. Bibi. 3 (63) 6, 3; Robert (Anm. 5) I 237-47.
 
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