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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0111
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Die orientalisierende Epoche

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phiaraos und Tydeus, Vater des unsterblichen Diomedes8. Andere erscheinen
als bloße Füllfiguren: Eteoklos auf der Gegenseite zu Eteokles scheint eine fast
schon verzweifelte Erfindung eines stockenden Sängers zu sein. Aber daß es Sieben
waren, steht fest. Dabei haben Eteokles und Polyneikes redende, auf eben diesen
Krieg bezogene Namen, der 'viele Streit’ gegen den 'wahren Ruhm’, der die Stadt
verteidigt; unmöglich kann beides, der Krieg und die Namen der Anführer,
historisch und damit zufällig sein, die dichterische Erfindung ist offenbar.
Solche und ähnliche Erwägungen haben Emst Howald in einer Rektorats-
rede von 1939 zu einer radikalen These veranlaßt, die freilich ohne Widerhall
blieb: die Erzählung von den sieben bösen Angreifern, die glücklich zurückge-
schlagen werden, angeführt von Adrastos dem 'unentrinnbaren’ auf seinem
Zauberpferd Arion, sei im Kem ein reiner Mythos: vorgestellt werde ein Zug
von sieben Dämonen, ein „Ausbruch der Hölle“9. Adrastos verrate sich als Herr
der Unterwelt noch durch die 'tragischen Chöre’, die ihn laut Herodot in Sikyon
zu ehren hatten; Arion, von Erinys geboren, sei ein Höllenroß; sein Gefolge
seien sieben unterweltliche Dämonen, darunter Tydeus mit seinen kannibalischen
Gelüsten. Erst sekundär sei der Unterweltsmythos in ein realistisches Helden-
epos umgesetzt und mit der realen Stadt Theben verknüpft worden. Dies hat
Geschichte gemacht, bis hin zur Cambridge Ancient History.
Was Howald nicht wußte: ein epischer Text, der den Ansturm der bösen, unter-
weltlichen Sieben unter Leitung eines schrecklichen Gottes schildert, existiert in
Gestalt eines akkadischen Epos, des Gedichts von Erra dem Pestgott. Es ist einiger-
maßen vollständig erst 1956, verbessert 1969 herausgegeben worden10. Es handelt
sich - ein einmaliger Fall - um das Werk eines individuellen Dichters, der sich
in einer Art Sphragis am Schluß selbst vorstellt, Kabti-Ilani-Marduk. Gott Erra
selbst, sagt er, habe ihm im Traum den Text eingegeben. Im Gegensatz zu
'Atrahasis’ ist das Gedicht relativ 'jung’; man setzt es zwischen dem 9. und dem
7. Jh. an; von Soden hat 765/3 vorgeschlagen11.
8 Amphiaraos, eigentlich wohl *Amphiares (zu Ares, A. Heubeck, Die Sprache 17 [1971]
8-22) erscheint bei Aischylos als Amphis (Fr. 632 Mette), könnte also eigentlich mit
Amphion zusammengehören. Zu Diomedes -* III 2, 9/10. Vgl. die Assoziierung von
Adrastos und Amphios II. 2, 830 (B. C. Dietrich Historia 29 [1980] 499).
9 Howald (1939); Sikyon: Hdt. 5, 67; Zu Arion/Erion Burkert (1979) 127.
10 Ed. Gössmann (1956), Cagni (1969); E. Ebeling, Der akkadische Mythos vom Pest-
gotte Era (1925) und AOT 212-30; Labat (1970) 114-37. Walcot (1967) 49-54 vergleicht
die Selbstvorstellung des Verfassers (Erra V 42-61) mit dem Proömium des Hesiod.
Sehr eigentümlich ist, daß im 'König Ödipus’ des Sophokles Ares als Pestgott auftritt (190),
der ins Meer zurückgetrieben werden soll (195). Man möchte vermuten, daß anläßlich
der Pest in Athen (vgl. B. Μ. W. Knox AJPh 77 [1956] 139f.) auch östliche Erra-
Magie angewandt wurde.
11 Ugarit-Forschungen 3 (1971) 255f.; vgl. Erra ed. Cagni (1969) 44f. (frühestens 9. Jh.);
Reiner (1978) 166-8.
 
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