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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0121
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Die orientalisierende Epoche

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herein in den Bereich des Volksmundes und damit der Mündlichkeit zu verweisen,
ließen nicht genauere Untersuchungen vor allem im Bereich des Mittelalters und
der frühen Neuzeit erkennen, wie es immer wieder die schriftlichen Sammlungen
waren, die Übersetzungen und Redaktionen des Äsop, die die Vermittlung her-
stellten. Allerdings haben sie, vor allem über den Elementarunterricht der Schule,
Eingang in die lebendige Volksüberlieferung gefunden, so daß Sammler sie
wieder wie Märchen neu entdecken können. Doch die literarische Fixierung
liegt all dem weit voraus.
Auch 'Äsop’ ist kein Anfang. Daß es die Tierfabel nicht nur im Ägypti-
schen2, sondern auch im Sumerischen, Akkadischen3 und, zumindest in der Form
der Pflanzenfabel, im Hebräischen4 gibt, ist seit längerem bekannt. Über 'orien-
talische Fabeln in griechischem Gewand’ hat Hermann Diels bereits 1910 ge-
handelt5. Babrios, der die äsopischen Fabeln in Verse brachte, gibt zu Beginn
seines zweiten Buchs ausdrücklich an, diese Art von 'Mythos’ sei eine Erfindung
der alten 'Syrer’ aus der Zeit von Ninos und Belos, was mit der Terminologie
des Ktesias auf die assyrische Epoche verweist; Äsop habe sie als erster den
'Söhnen der Hellenen’ erzählt. Babrios schreibt anscheinend in Syrien/Kilikien
für einen der dort ansässigen Kleinkönige6; er weiß, wovon er spricht, auch wenn
wir seine Quellen nicht direkt nachprüfen können. Bestätigend steht neben seiner
Angabe die Tatsache, daß die Achiqar-Erzählung aus dem Aramäischen ins Grie-
chische übersetzt und ins Leben des Äsop eingefügt wurde - vielleicht eben zur
Zeit des Babrios7; und in der Sache hat Babrios evidentermaßen recht.
(1981); viel Material zur Nachwirkung in der Enzyklopädie des Märchens (19771Γ.) bes.
s.v. Äsopika, Babrios, Avianus.
2 E. Brunner-Traut, Altägyptische Tiergeschichte und Fabel (19703).
3 E. I. Gordon, Sumerian Animal Proverbs and Fables, JCS 12 (1958) 1-21, 43-75;
E. Ebeling, Die babylonische Fabel und ihre Bedeutung für die Literaturgeschichte,
Mitteilungen der Altorientalischen Gesellschaft 2, 3 (1931); die Texte jetzt bei Lambert
(1960).
4 Der König der Bäume, Richter 9; Distel und Zeder, 2. Kön. 14, 9.
5 H. Diels, Internationale Wochenschrift 4 (1910) 993-1002, 'Palme und Tamariske’ (jetzt
Lambert [1960] 151-64; ANET 410f.) - 'Lorbeer und Ölbaum’ Kallim. Fr. 194. - A. La
Penna, Letteratura esopica e letteratura assiro-babilonese, RFIC 92 (1964) 24-39; Rodri-
guez Adrados (1979) 301-79.
6 II 2f. ... Σύρων παλαιών έστιν ευρεμ’ ανθρώπων, οΐ πριν ποτ’ ήσαν έπι Νίνου τε και
Βήλου... Zur Identität des in der Widmung genannten 'Königs Alexander’ und zur
Herkunft des Babrius aus Kilikien/Syrien B. E. Perry, Babrius and Phaedrus (Loeb
Classical Library 1965) xlvii-lii.
7 -* I 3, 30. Zusammenstellung griechischer Fabeln mit mesopotamischen Parallelen bei
Rodriguez Adrados (1979) 376-8; hellenistische Parallelen auch bei West (1969). Be-
sonders auffallend schien die Übereinstimmung von Aesop Nr. 137 Perry, Babrius 84
'Mücke und Stier’ mit Wogel und Elefant’ Lambert (1960) 217f., 339; doch ist das
kleine Tier niniqu im Akkadischen nicht sicher identifiziert, Moran (1978) 18, 7.
 
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