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Jüngel, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 1. Abhandlung): Glauben und Verstehen: zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns; vorgetragen am 20. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47815#0050
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Eberhard Jüngel

Theologen, unter denen Bultmann sich in besonderer Weise um die
Bestimmung dessen, was im Zusammenhang von Glauben und Ver-
stehen Wahrheit heißt, bemühte: „... denn ich will nicht wissen, ob
mein Glaube die höchste und unüberbietbare Form des religiösen
Lebens ist, sondern ich will einfach wissen, ob wahr ist, woran ich
glaube!“126
Das Interesse an der Wahrheitsfrage führte Bultmann zu weiteren
Abgrenzungen. Wenn die Frage, ob das, was ich glaube, wahr ist,
beantwortbar sein soll, dann muß der Gegenstand des Glaubens in
irgendeiner Weise erkennbar sein. Bultmann setzt sich folglich mit der-
jenigen Auffassung auseinander, „die im Gegensatz zum Rationalis-
mus das Irrationale als göttliche Offenbarung faßt.“12' Er gesteht zwar
der von Rudolf Otto aufgestellten „Theorie vom 'Numinosen’“128 als
mysterium tremendum und fascinosum - und ebenso analogen
Bestimmungen Gottes als des „Unbedingten“ oder des „Ewigen“ - ein
gewisses Recht zu, insofern damit zum Ausdruck gebracht werden soll,
„daß Gott nicht Gegenstand rationaler Erkenntnis ist“129. Aber daraus,
daß der Mensch „nicht aus eigener Vernunft“ - mit Luthers Kleinem
Katechismus zu reden - zur Erkenntnis Gottes gelangen kann, folgt
keineswegs, daß Gotteserkenntnis unmöglich ist. Das Irrationale „als
Gott zu bezeichnen, liegt kein Grund und kein Recht vor“130. Die reli-
gionsphänomenologisch keineswegs irrelevanten „Qualitäten des Tre-
mendum wie des Fascinosum“ aber umschreiben nur die religiös qua-
lifizierte Situation des Menschen, in der sich dieser selber ein Rätsel ist,
mithin gerade noch unentscheidbar ist, wer oder was Gott ist. „Denn
die Qualitäten des Tremendum wie des Fascinosum eignen dem Teufel
so gut wie Gott“131. Bultmann warnt deshalb: „Kein leichtfertiges
Reden von Gottes Unerkennbarkeit!“132
Die particula veri, die die Rede von der Unbegreiflichkeit Gottes
gleichwohl enthält, kommt nach Bultmann erst dann zur Geltung,
wenn man das menschliche Erkennen über seine erkenntnistheore-
tische Funktion hinaus als einen Akt menschlicher Tätigkeit analysiert,
in dem der Mensch das Subjekt eines Entwurfs ist, innerhalb dessen
126 AaO. 190.
127 AaO. 81.
128 Ebd.
129 AaO. 53.
130 Ebd.
131 AaO. 53. Vgl. aaO. 81f.
 
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