Glauben und Verstehen
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das, was der Mensch intentione obliqua über dieses Ereignis aussagt,
Theologie ist154.
Die altprotestantische Identifikation von Kerygma und Theologie
verdirbt folglich, weil damit „die fiducia als etwas Nachträgliches zur
Kenntnis und Annahme der reinen Lehre hinzukommt“, sowohl den
Wesenszusammenhang von Glaubensakt und Glaubensgegenstand als
auch das Selbstverständnis der Theologie als einer kritischen Wissen-
schaft, in der „die reine Lehre... als eine solche entwickelt wird, die nur
dem Glauben sichtbar wird“155.
Vergleicht man die verschiedenen Abgrenzungen, die Bultmann
gegenüber der Orthodoxie, der liberalen Theologie, der Mystik und
anderen theologischen Positionen vomimmt, so laufen sie ihrer In-
tention nach alle darauf hinaus, zu der reformatorischen Einsicht
Luthers zurückzulenken, daß Gott und Glaube „zuhaufe“ gehören156.
Nach Bultmann muß diese Zusammengehörigkeit nicht nur für den
Gegenstandsbezug des Glaubens, sondern auch für den Gegenstands-
bezug der theologischen Wissenschaft und für die Zugangsart, in der
sich der Gegenstand der Theologie theologischer Erkenntnis
erschließt, gelten: „Was Gott ist, kann nicht verstanden werden, wenn
nicht verstanden wird, was Glaube ist, und umgekehrt. Theologie ist
also Wissenschaft von Gott, indem sie Wissenschaft vom Glauben ist,
und umgekehrt“157.
Inwiefern sie es ist, soll nun positiv dargelegt werden.
2. Der Praxisbezug der Theologie
Die Theologie hat es nach Bultmann in mehrfacher Weise mit Glau-
ben und Verstehen zu tun. Glauben und Verstehen können als Gegen-
stände der Theologie sozusagen in einer Reihe stehen. Insofern die
Theologie aber selber ein Verstehensvorgang ist, können sich Glauben
und Verstehen auch gegenübertreten. Diese Gegenüberstellung von
Glauben und Verstehen kann wiederum unterschiedlich ausfallen. Das
theologische Verstehen kann als ,,distanz-nehmende[s] Hinsehen ein
154 AaO. 31, Anm. 7: „Fides quae creditur = quod deus dixit! Theologie = was der
Mensch sagt“.
155 AaO. 33.
156 M. Luther, Der große Katechismus, BSLK, 560, 21f.: „Denn die zwei gehören
zuhaufe, Glaube und Gott“.
157 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 34.
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das, was der Mensch intentione obliqua über dieses Ereignis aussagt,
Theologie ist154.
Die altprotestantische Identifikation von Kerygma und Theologie
verdirbt folglich, weil damit „die fiducia als etwas Nachträgliches zur
Kenntnis und Annahme der reinen Lehre hinzukommt“, sowohl den
Wesenszusammenhang von Glaubensakt und Glaubensgegenstand als
auch das Selbstverständnis der Theologie als einer kritischen Wissen-
schaft, in der „die reine Lehre... als eine solche entwickelt wird, die nur
dem Glauben sichtbar wird“155.
Vergleicht man die verschiedenen Abgrenzungen, die Bultmann
gegenüber der Orthodoxie, der liberalen Theologie, der Mystik und
anderen theologischen Positionen vomimmt, so laufen sie ihrer In-
tention nach alle darauf hinaus, zu der reformatorischen Einsicht
Luthers zurückzulenken, daß Gott und Glaube „zuhaufe“ gehören156.
Nach Bultmann muß diese Zusammengehörigkeit nicht nur für den
Gegenstandsbezug des Glaubens, sondern auch für den Gegenstands-
bezug der theologischen Wissenschaft und für die Zugangsart, in der
sich der Gegenstand der Theologie theologischer Erkenntnis
erschließt, gelten: „Was Gott ist, kann nicht verstanden werden, wenn
nicht verstanden wird, was Glaube ist, und umgekehrt. Theologie ist
also Wissenschaft von Gott, indem sie Wissenschaft vom Glauben ist,
und umgekehrt“157.
Inwiefern sie es ist, soll nun positiv dargelegt werden.
2. Der Praxisbezug der Theologie
Die Theologie hat es nach Bultmann in mehrfacher Weise mit Glau-
ben und Verstehen zu tun. Glauben und Verstehen können als Gegen-
stände der Theologie sozusagen in einer Reihe stehen. Insofern die
Theologie aber selber ein Verstehensvorgang ist, können sich Glauben
und Verstehen auch gegenübertreten. Diese Gegenüberstellung von
Glauben und Verstehen kann wiederum unterschiedlich ausfallen. Das
theologische Verstehen kann als ,,distanz-nehmende[s] Hinsehen ein
154 AaO. 31, Anm. 7: „Fides quae creditur = quod deus dixit! Theologie = was der
Mensch sagt“.
155 AaO. 33.
156 M. Luther, Der große Katechismus, BSLK, 560, 21f.: „Denn die zwei gehören
zuhaufe, Glaube und Gott“.
157 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 34.