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Eberhard Jüngel
Akt des Glaubens selbst“158 sein und muß es in gewisser Hinsicht sogar
sein159. Andererseits wird die intentio recta des Glaubens zu seinem
Gegenstand im Akt theologischen Verstehens und Redens gewisser-
maßen sistiert oder, wie Bultmann formuliert, „gleichsam ... abge-
stoppt, um besehen zu werden“160, so daß theologisches Verstehen
geradezu den Charakter eines „sündigen Unternehmens“ annehmen
kann, das nur dann auf den Namen Theologie Anspruch erheben darf,
„wenn es sich als sündiges Unternehmen unter der Gnade der Recht-
fertigung bewegt“161. Bultmann führt die verschiedenen Positionen,
die Glauben und Verstehen innerhalb der Theologie einnehmen kön-
nen, allerdings auf eine Ausgangsstellung zurück, auf die er sowohl exe-
getisch bei seiner Analyse des urchristlichen Glaubensbegriffs als auch
systematisch bei seiner Bestimmung der Theologie als Wissenschaft
gern rekurriert. Die einheitliche Ausgangsstellung der verschiedenen
Positionen von Glauben und Verstehen besteht in der bereits heraus-
gearbeiteten Tatsache, daß mit dem Glauben immer schon ein ihm
implizites Verstehen mitgegeben ist.
Die Theologie hat dieser Urtatsache gerecht zu werden. Dabei ist es
für Bultmann entscheidend, daß sie selber ihre Erkenntnisbemühung
nicht um eines vom Glauben abtrennbaren Wissens willen vollzieht.
Die Theologie hat deshalb für Bultmann wesentlich praktischen Cha-
rakter. Ihn gilt es nunmehr herauszustellen.
Einen wichtigen Hinweis gibt ein - bereits von Heidegger in Sein
und Zeit exzerpierter162 und von Bultmann vermutlich dort zum ersten
Mal zur Kenntnis genommener - Satz des Grafen Paul Yorck von War-
tenburg. Bultmann zitiert ihn in einem Aufsatz Zur Frage der Reform
des theologischen Studiums, der am 2. Januar 1933 in der Frankfurter
Zeitung veröffentlicht wurde. Dort heißt es: „... es ist schon wahr, wie
Graf Yor[c]k an W. Dilthey schreibt: 'Das Praktisch-werden-können ist
ja nun allerdings der eigentliche Rechtsgrund aller Wissenschaft’“163.
158 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 164.
159 AaO. 163f.: „So sehr theologisch wissenschaftliches Reden ... ein glaubendes sein
muß ...“
160 AaO. 164.
161 AaO. 167. Vgl.: R. Bultmann, Das Problem einer theologischen Exegese des Neuen
Testaments, ZZ3,1925,334-357, bes. 353; und: ders., Welchen Sinn hat es, von Gott
zu reden? 1925, in: Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, 81980,
26-37, 27f.
162 M. Heidegger, Sein und Zeit, Gesamtausgabe 2, 1977, 531.
163 R. Bultmann, Zur Frage der Reform des theologischen Studiums. 1933, in: Glauben
und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2,51968, 294-300, 294. Vgl.: Briefwech-
Eberhard Jüngel
Akt des Glaubens selbst“158 sein und muß es in gewisser Hinsicht sogar
sein159. Andererseits wird die intentio recta des Glaubens zu seinem
Gegenstand im Akt theologischen Verstehens und Redens gewisser-
maßen sistiert oder, wie Bultmann formuliert, „gleichsam ... abge-
stoppt, um besehen zu werden“160, so daß theologisches Verstehen
geradezu den Charakter eines „sündigen Unternehmens“ annehmen
kann, das nur dann auf den Namen Theologie Anspruch erheben darf,
„wenn es sich als sündiges Unternehmen unter der Gnade der Recht-
fertigung bewegt“161. Bultmann führt die verschiedenen Positionen,
die Glauben und Verstehen innerhalb der Theologie einnehmen kön-
nen, allerdings auf eine Ausgangsstellung zurück, auf die er sowohl exe-
getisch bei seiner Analyse des urchristlichen Glaubensbegriffs als auch
systematisch bei seiner Bestimmung der Theologie als Wissenschaft
gern rekurriert. Die einheitliche Ausgangsstellung der verschiedenen
Positionen von Glauben und Verstehen besteht in der bereits heraus-
gearbeiteten Tatsache, daß mit dem Glauben immer schon ein ihm
implizites Verstehen mitgegeben ist.
Die Theologie hat dieser Urtatsache gerecht zu werden. Dabei ist es
für Bultmann entscheidend, daß sie selber ihre Erkenntnisbemühung
nicht um eines vom Glauben abtrennbaren Wissens willen vollzieht.
Die Theologie hat deshalb für Bultmann wesentlich praktischen Cha-
rakter. Ihn gilt es nunmehr herauszustellen.
Einen wichtigen Hinweis gibt ein - bereits von Heidegger in Sein
und Zeit exzerpierter162 und von Bultmann vermutlich dort zum ersten
Mal zur Kenntnis genommener - Satz des Grafen Paul Yorck von War-
tenburg. Bultmann zitiert ihn in einem Aufsatz Zur Frage der Reform
des theologischen Studiums, der am 2. Januar 1933 in der Frankfurter
Zeitung veröffentlicht wurde. Dort heißt es: „... es ist schon wahr, wie
Graf Yor[c]k an W. Dilthey schreibt: 'Das Praktisch-werden-können ist
ja nun allerdings der eigentliche Rechtsgrund aller Wissenschaft’“163.
158 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 164.
159 AaO. 163f.: „So sehr theologisch wissenschaftliches Reden ... ein glaubendes sein
muß ...“
160 AaO. 164.
161 AaO. 167. Vgl.: R. Bultmann, Das Problem einer theologischen Exegese des Neuen
Testaments, ZZ3,1925,334-357, bes. 353; und: ders., Welchen Sinn hat es, von Gott
zu reden? 1925, in: Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, 81980,
26-37, 27f.
162 M. Heidegger, Sein und Zeit, Gesamtausgabe 2, 1977, 531.
163 R. Bultmann, Zur Frage der Reform des theologischen Studiums. 1933, in: Glauben
und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. 2,51968, 294-300, 294. Vgl.: Briefwech-