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Eberhard Jüngel
Bultmann hat das selber durchweg betont. Aber er hätte dann auch
die Konsequenz ziehen müssen, daß dem theologischen Wissen durch-
weg ein theoretisches Moment eignet, das zwar niemals vom prakti-
schen Charakter dieses Wissens isoliert werden kann, aber ebensowe-
nig von diesem absorbiert werden darf. Gott wird in der Theologie nie-
mals nur in der Weise der Gegenstände praktischen Wissens Gegen-
stand des Glaubenswissens. Er bleibt immer der für dieses Wissen
gegebene Gegenstand, obwohl er niemals nur in der Weise der Gegen-
stände theoretischen Wissens Gegenstand des Glaubenswissens ist.
Und so darf denn die Theologie, wenn sie sachgemäß von Gott reden
will, diesen niemals nur wie einen Gegenstand theoretischen Wissens
oder nur wie einen Gegenstand praktischen Wissens behandeln. Gott
ist in der Theologie vielmehr Gegenstand eines Wissens sui generis,
das man sich als ein gleichursprünglich theoretisches und praktisches
Wissen zu denken hat.
Im Grunde hat allerdings auch Bultmann trotz seiner rigiden
Bestreitung jedweden theoretischen Charakters des Glaubenswissens
die Sache nicht viel anders gesehen. Hat er doch gegenüber der Frage
nach der Legitimation des Kerygmas, nach seiner Begründung in ande-
ren Autoritäten, betont, daß das Evangelium als solches keiner Hilfe
bedarf: „Für das Wort der Verkündigung ist also keine andere Legitima-
tion zu fordern und keine andere Basis zu schaffen, als es selbst“. Bult-
mann bringt diese seine Auffassung mit Worten Martin Luthers zur
Geltung, denen nichts hinzuzufügen ist: „das euangelion darff unser
hilff nichtz, es ist für sich selbs gnugsam krefftig... Ich habs dem lieben
got befollen, es ist ie sein wort, er ist mans gnung“267.
267 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 152; M. Luther, Sermon zu St. Michael zu
Erfurt getan vom Glauben und Werken. (21. Oktober 1522), WA 10.3,352-361,354,
18f. u. 22f.
Eberhard Jüngel
Bultmann hat das selber durchweg betont. Aber er hätte dann auch
die Konsequenz ziehen müssen, daß dem theologischen Wissen durch-
weg ein theoretisches Moment eignet, das zwar niemals vom prakti-
schen Charakter dieses Wissens isoliert werden kann, aber ebensowe-
nig von diesem absorbiert werden darf. Gott wird in der Theologie nie-
mals nur in der Weise der Gegenstände praktischen Wissens Gegen-
stand des Glaubenswissens. Er bleibt immer der für dieses Wissen
gegebene Gegenstand, obwohl er niemals nur in der Weise der Gegen-
stände theoretischen Wissens Gegenstand des Glaubenswissens ist.
Und so darf denn die Theologie, wenn sie sachgemäß von Gott reden
will, diesen niemals nur wie einen Gegenstand theoretischen Wissens
oder nur wie einen Gegenstand praktischen Wissens behandeln. Gott
ist in der Theologie vielmehr Gegenstand eines Wissens sui generis,
das man sich als ein gleichursprünglich theoretisches und praktisches
Wissen zu denken hat.
Im Grunde hat allerdings auch Bultmann trotz seiner rigiden
Bestreitung jedweden theoretischen Charakters des Glaubenswissens
die Sache nicht viel anders gesehen. Hat er doch gegenüber der Frage
nach der Legitimation des Kerygmas, nach seiner Begründung in ande-
ren Autoritäten, betont, daß das Evangelium als solches keiner Hilfe
bedarf: „Für das Wort der Verkündigung ist also keine andere Legitima-
tion zu fordern und keine andere Basis zu schaffen, als es selbst“. Bult-
mann bringt diese seine Auffassung mit Worten Martin Luthers zur
Geltung, denen nichts hinzuzufügen ist: „das euangelion darff unser
hilff nichtz, es ist für sich selbs gnugsam krefftig... Ich habs dem lieben
got befollen, es ist ie sein wort, er ist mans gnung“267.
267 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 152; M. Luther, Sermon zu St. Michael zu
Erfurt getan vom Glauben und Werken. (21. Oktober 1522), WA 10.3,352-361,354,
18f. u. 22f.