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Geyer, Dietrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 2. Abhandlung): Klio in Moskau und die sowjetische Geschichte: vorgetragen am 27. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47816#0010
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Dietrich Geyer

Was die heutigen sowjetischen Staatsgrenzen umschließen, gehört
unbedingt dazu, ist - wie man mit Emphase sagt - „Vaterländische
Geschichte“, Otecestvennoj a istorija? Das bezieht sich auch auf territo-
riale Erwerbungen aus jüngerer Zeit, wie zum Beispiel auf die Stadt
und das Gebiet von Königsberg, auf die Kaliningradskaja oblast’. Das
Grab von Immanuel Kant und ein Schiller-Denkmal im heutigen Kali-
ningrad bezeugen diesen Einklang von Vergangenheit und Gegen-
wart.7 8 Vaterländische Geschichte ist im übrigen klar abgegrenzt vom
Rest der Welt, von dem, was auf Russisch „Allgemeine Geschichte“
heißt, Vseobscaja istorija. Aus beidem: aus der Vaterländischen und
der Allgemeinen Geschichte, setzen die sowjetischen Fachsystemati-
ker die Geschichte unserer Welt zusammen: Weltgeschichte, Vsemir-
naja istorija.9 Auch die Organisation der historischen Forschung und
Lehre unterliegt dieser Klassifizierung.
Mein Thema bleibt im folgenden die Vaterländische Geschichte,
die Geschichte der UdSSR von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart.
Berichten werde ich über dreierlei: erstens über konzeptionelle Pro-
bleme und Schwierigkeiten dieser Geschichte; zweitens über profes-
sionelle Probleme, über die Vaterländische Geschichte als Betrieb und
als Beruf; drittens über Formen des Geschichts- und Traditionsbe-
wußtseins, die nicht nur als Produkt ideologischer Dressur zu gelten
haben, sondern zugleich als öffentliche Angelegenheiten wirksam
sind.
7 Der Ausdruck „Vaterländische Geschichte“ ist als Synonym für „Geschichte der
UdSSR“ seit den sechziger Jahren immer geläufiger geworden. Zu den Anwen-
dungsfeldern des Begriffs vgl. die beiden letzten großen Rechenschaftsberichte des
Instituts für Geschichte der UdSSR an der Akademie der Wissenschaften der
UdSSR: Izucenie otecestvennoj istorii v SSSR mezdu XXIV i XXV s-ezdami KPSS.
Hg. von A. L. Narocnickij, Vyp. 1-2. Moskau 1978; Izucenie otecestvennoj istorii v
SSSR mezdu XXV i XXVI s-ezdami KPSS. Hg. von S. S. Chromov, Moskau 1982.
8 Sowjetisches Kaliningrad und deutsches Königsberg: Peter Wörster, Das nördliche
Ostpreußen nach 1945, in: Dokumentation Ostmitteleuropa, J. G. Herder-Institut
Marburg 4(28), Febr. 1978, H. 1; 5(29), April 1979, H. 1/2, dazu mit eingehenden
Belegen: Rudolf Malter und Emst Staffa, Kant in Königsberg seit 1945. Eine Doku-
mentation. (Schriften der Mainzer Philosoph. Fakultätsgesellschaft. 7.), Wiesbaden
1983. - Vgl. neuerdings - mit verblüffenden Rückverweisen auf die deutsche Ver-
gangenheit der Stadt - den Gedichtszyklus „Königsberg - Kaliningrad. Panorama
einer Stadt“, verfaßt von dem heute dort lebenden deutschen Schriftsteller Rudolf
Jacquemien, in Auszügen gedruckt in: Neues Leben, Moskau, Nr. 36,5.9.1984, S.9.
9 Vsemirnaja istorija v desjati tomach, Moskau 1955-1965, Ergänzungsbände 11-13,
1977-1983, dt. Übers.: Weltgeschichte in zehn Bänden, Berlin/DDR 1961-1969.
Vgl. dazu Georg Stadtmüller, Die neue sowjetische Weltgeschichte, in: Saeculum
 
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