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Geyer, Dietrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 2. Abhandlung): Klio in Moskau und die sowjetische Geschichte: vorgetragen am 27. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47816#0027
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Klio in Moskau

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wende?3 Alle laufenden und kommenden Vorhaben werden in diesen
Entwürfen festgeschrieben: die umfangreichen, oft vielbändigen Kol-
lektivuntemehmen der Institute, Sektoren und Arbeitsgruppen, darun-
ter beispielsweise - für das kommende Planjahrfünft - eine Geschichte
der Arbeiterklasse der UdSSR in neun Bänden, eine Geschichte der
Bauernschaft in zehn Bänden, eine Geschichte der sowjetischen Kultur
in vorerst noch ungezählten Bänden und vieles andere mehr. Überdies
aber geht es jeweils auch um die individuellen Projekte der einzelnen
wissenschaftlichen Mitarbeiter, die ihre Vorhaben als Dienstaufgaben
anzumelden haben. Das mag erklären, weshalb die Diskussion um die
rechte Gewichtsverteilung zwischen individueller und kollektiver
Arbeit, um den Anteil beider Gattungen am Zeitbudget der Historiker,
nicht zur Ruhe kommt.
Wie anderswo reichen die „Kollektivarbeiten“ von der Buchbinder-
synthese bis zum konzeptionell integrierten Gemeinschaftswerk. In
der Sowjetunion greift dieser Arbeits- und Produktionstypus jedoch
ungewöhnlich tief in den Rhythmus der historischen Forschung ein.
Dazu trägt nicht zuletzt die dicht geknüpfte Kette der Gedenktage und
Jubiläen bei, die zu begehen den Historikern in besonderer Weise auf-
gegeben ist. Die Zumutung, Festschriften für angesehene Gelehrte
herzustellen, wirkt sich dabei noch am wenigsten belastend aus.53 54 Ein-
schneidender wird der konjunkturelle Verlauf der wissenschaftlichen
Produktion durch Anlässe bestimmt, bei denen es an große Daten der
Vaterländischen und der Allgemeinen Geschichte zu erinnern gilt.
1985 ist das vor allem der „40. Jahrestag des Sieges des sowjetischen
Volkes im Großen Vaterländischen Krieg“, der nicht nur die Militär-
historiker, sondern nahezu alle Sparten der Geschichtswissenschaft in
den Bann schlägt. Neben diesem herausragenden Ereignis fordern
53 Dazu und zum folgenden: S. L. Tichvinskij, O zadacach istoriceskoj nauki po realiza-
cii resenij ijun’skogo Plenuma CKKPSS, in: Voprosy istorii 1984/1, S. 3-19; Obscee
sobranie Otdelenija istorii, ebd., 1984/6, S. 113-116.
54 Mit Festschriften werden zumeist nur Akademiemitglieder ausgezeichnet; jeden-
falls ist diese Übung ungleich weniger verbreitet als in der Bundesrepublik. - Zu
Historikerkarrieren und professionellen Erfahrungen vgl. die Auswertung autobio-
graphischer Aufzeichnungen durch Kurt Marko, Sowjethistoriker über sich selbst,
in: Emst Schulin (Hg.), Studien zur europäischen Geschichte. Gedenkschrift für
Martin Göhring, Wiesbaden 1968, S. 413-430. Neuerdings erschien, von Hans-
Heinrich Nolte ediert, die deutsche Übersetzung der Memoiren des Nestors der
sowjetischen Historiker N. M. Druzinin: Erinnerungen und Gedanken eines Histo-
rikers, Göttingen 1983.
 
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