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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0106
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Ernst A. Schmidt

Heilsgeheimnis des Alten Testaments war es, daß „dort auch irdische
Gaben verheißen waren“ (civ. 4,33; I, p. 188,18-20: „Et hoc est sacra-
mentum veteris testamenti [...], quod illic promissa et dona terrena
sunt“). Dieser eine Satz aus dem vierten Buch, der eindeutig für das
Neue Testament und die christliche Zeit göttliche Versprechungen,
die diese Zeit und die Geschichte beträfen, leugnet, genügte allein, alle
geschichtsphilosophischen Deutungen Augustins samt utopischen
und reformerischen Interpolationen zurückzuweisen - nicht zur
Bestreitung seines heilsgeschichtlichen Denkens, sondern um es auf
den gekommenen Christus zu beziehen und das heißt als Deutung
allein des Alten Testaments zu verstehen.
(2) „Civitas Dei“ und die Geschichtlichkeit Christi117
Kann man angesichts des Ergebnisses des vorangegangenen
Abschnitts überhaupt noch sinnvoll die Frage nach dem Zeit- und
Geschichtscharakter der Inkarnation Christi stellen, d. h. da noch
überhaupt etwas fraglich oder fragwürdig finden? Als Erfüllung der
Verheißungen und als Ende des alttestamentlichen Heilsgeschehens,
als Ende von Heilsgeschichte überhaupt, ist dieses Ereignis doch emi-
nent geschichtlich und epochebildend. Es könnte aber sein, daß wir
mit solchen Formulierungen gar nicht an Augustin herankommen, ja,
daß es prinzipiell schwierig sein dürfte, den Sinn von Geschichte zu
bezeichnen, nach dem das Ende von Heilsgeschichte geschichtlich ist,
ohne daß doch die Geschichte der „civitas terrena“ oder gar Welt-
geschichte oder die unkalkulierbare zeitliche Folge und Verteilung
irdischer Güter und Übel - alles dies bleibt von Jesu Erdenleben so
unberührt wie es zuvor mit der Hervorbringung dieses Ereignisses
nichts zu tun hatte - diesen Sinn darbietet. Ich frage daher nur im Blick
auf den Nerv von „De civitate Dei“, d.h. ich untersuche den Ge-

Lesung der Confessiones und Deutung des Befundes, daß Augustin mit den in
Buch IX erzählten autobiographischen Ereignissen das Erzählen („narratio“) been-
det: die von der „Privatprovidenz“ gestiftete „narrative Konsistenz“ teleologischen
Ereigniszusammenhangs endet mit der Taufe (S. 220f.: „so endet bei Augustin die
providentiell belangvolle vita mit der Taufe“) bzw. dem Tod der Mutter (S. 232:
„Was sie - sc. Monica - nach der „conversio“ ihres Sohnes sagt - „quid hic faciam
adhuc et cur hic sim, nescio, consumpta spe huius saeculi“ - conf. 9, 10, 26 - gilt
auch für mögliche narrationes aus der weiterlaufenden vita Augustins, einer vita, in
welcher kein providentieller Gott mehr zu handeln hat“).
117 Vgl. Lange, Geschichtsbild u. Christologie bei A.
 
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