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Riedl, Peter Anselm; Giovanni; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 2. Abhandlung): Eine wiederentdeckte "Verkündigung Mariä" von Giovanni di Paolo: vorgetragen am 4. Mai 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48145#0015
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Eine wiederentdeckte „Verkündigung Mariä1

13

Unter den zahlreichen, überwiegend zum Verband von Polyp-
tychen gehörenden Verkündigungsdarstellungen Giovanni di Paolos
findet sich keine, welche die Beweisführung an dieser Stelle weiter-
bringen würde. Daher sei, bevor auf die Darstellungen im anderen
Argumentationszusammenhang eingegangen wird, zunächst der Weg
des stilkritischen Detailsvergleichs beschritten. Die ausgeprägte
Physiognomie der Maria repräsentiert einen Typus, der bei Giovanni
di Paolo häufig wiederbegegnet. So etwa bei der Madonna der Zentral-
tafel des meines Erachtens noch vor 1460 zu datierenden Retabels mit
dem Erlöser im mittleren Auszug und den Heiligen Petrus Damianus,
Thomas, Klara und Ursula auf den Flankentafeln in der Sieneser Pina-
kothek8. Das durch eine kürzlich erfolgte Restaurierung in erstaun-
lichen Zustand zurückversetzte Werk verdient in der Tat das Prädikat
„uno dei piü alti capolavori di Giovanni di Paolo“ (Piero Torriti). Der
Kopf der Maria kommt, obgleich etwas fülliger, morphologisch dem
unserer Verkündigungsmaria nahe und erlaubt zudem das genaue Stu-
dium der im anderen Falle nicht mehr voll lesbaren Pinselschrift. Groß
ist die Ähnlichkeit der Augen, auffallend die Verwandtschaft der Tex-
tur des Netzhemdes des Christuskindes auf der Sieneser Mitteltafel
mit dem Schleier der Jungfrau. Der Vergleich wird durch den mit der
hl. Klara des Polyptychons bekräftigt: Die überlange Nase, der Schnitt
der Augen und der kleine, zusammengezogen wirkende Mund seien
als Bezugswerte genannt. Ganz ähnlich ist die hl. Klara auf einem
anderen Hauptwerk aus Giovannis Reifezeit charakterisiert, dem mit
„OPUS JOHANNIS PAULI DE SENIS“ signierten und mit dem Voll-
endungsdatum 3. Dezember 1453 ausgestatteten Nikolaus-Retabel in
der Sieneser Pinakothek9. Die asketisch-feinen Gesichtszüge und die
sensiblen Hände der Franziskanerin spiegeln auf ihre Weise die Gesin-
nung wider, die aus der Verkündigungsmaria spricht.
Ein Faktum läßt aufmerken: Das Bild der Nimbenritzung und
-punzierung auf den beiden soeben genannten Polyptychen und auf
den Heidelberger Verkündigungstafeln ist außerordentlich ähnlich.
Bei letzteren umgeben den Kopf der Figuren jeweils radiale Strahlen,
die außen durch kleine Halbkreisbögen verkettet werden; es folgen,
durch einen oder mehrere Ritzkreise getrennt, beim Engel von innen
nach außen ein Reif aus kleinen Kringeln, ein Reif aus etwa doppelt so
8 Ebenda, S. 326ff. (mit Bibliographie).
9 Ebenda, S. 320ff. (mit Bibliographie). Zum Nikolaus-Altar vgl. ausführlich S. 29ff.
dieser Abhandlung.

Abb. 12,13

Abb.14,15

Abb.7,8
 
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