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Riedl, Peter Anselm; Giovanni; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 2. Abhandlung): Eine wiederentdeckte "Verkündigung Mariä" von Giovanni di Paolo: vorgetragen am 4. Mai 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48145#0022
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Peter Anselm Riedl

thronende, von Engeln umgebene Madonna im Mittelfeld wird von
den Heiligen Jakobus und Nikolaus flankiert. Im mittleren, vorhang-
bogig schließenden Aufsatz zeigt sich die Halbfigur des segnenden
Erlösers, links und rechts erscheinen der vollfigurig gegebene, demütig
kniende Verkündigungsengel und die auf dem Boden sitzende hl.
Jungfrau. Die Verkündigungsszene figuriert also - wie in den vorher
genannten Fällen auch - als zwar periphere, aber doch im buchstäb-
lichen Sinne i/Z?e/geordnete Darstellung: Wie der Erlöser als heils-
geschichtlicher Garant über dem Hauptbild wacht, so steht die Ver-
kündigung an mitbekrönender Stelle für den Anfang des Heilsgesche-
hens. Dem Retabel in Baschi entspricht, was den allgemeinen Aufbau
angeht, ein Triptychon mit der Anbetung des Kindes auf der Haupt-
tafel, den Heiligen Viktorinus (?) und Ansanus auf den Seitentafeln,
Christus im Mittelgiebel und der Verkündigung in den Flankenaus-
zügen im Musee du Petit Palais zu Avignon27. Früher als dieses -
sicherlich nach 1470 entstandene und ohne komplette Rahmenarchi-
tektur auf uns gekommene - Werk, nämlich in die zweite Hälfte der
fünfziger Jahre, ist eine Tafel mit dem hl. Clemens im selben Museum
zu setzen28. Die wiederum ähnlich einer Madonna dell’Umilta auf der
Erde (oder einer sehr niedrigen Unterlage) sitzende Verkündigungs-
maria im vorhangbogigen Giebelfeld beweist, daß wir es mit dem rech-
ten Flügel eines mehrteiligen Retabels zu tun haben, wohl eines Tri-
ptychons vom soeben erläuterten Typ.
Jede der erwähnten Lösungen der Einbeziehung einer Verkündi-
gungsszene in einen größeren Darstellungszusammenhang hat in
Siena ihr Vorbild. In der „Civitas Virginis“, die sich am Abend vor der
Schlacht von Montaperti (3. September 1260) feierlich auf alle Ewig-
keit der Gottesmutter übereignet hatte, wurden marianische Themen
besonders intensiv und phantasievoll gepflegt. Henk van Os informiert
darüber ebenso umfassend wie eindringlich in seinem Buch „Marias
Demut und Verherrlichung in der sienesischen Malerei 1300-1450“29.

27 Vgl. Michel Laclotte und Elisabeth Mognetti, wie in Anm. 23 zitiert, Nr. 90.
28 Ebenda, Nr. 89.
29 Den Haag 1969. Wichtig in unserem Zusammenhang vor allem das Kapitel „L’An-
nunziata“, S. 35ff. - Zur Geschichte des Altarretabels in Siena vgl. Henk van Os:
Sienese Altarpieces 1215-1460. Form, Content, Function. Volume I: 1215-1344,
Groningen 1984. - Zur Ikonographie der Verkündigung vgl. Maria Elisabeth Göss-
mann: Die Verkündigung an Maria im dogmatischen Verständnis des Mittelalters,
München 1957.
 
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