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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0016
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Albrecht Dihle

teter Einzelheiten bei Timaios (12,3,7ff; 12, 5,4ff. u. v. a. cf. G. A. Lehmann, Entr.
Elardt20,1973,147ff.). Womit sich Polybios an unserer Stelle aber gerade nicht aus-
einandersetzt, ist die peripatetische (Ps. Aristot. problem. 917 b 9) Theorie der
historischen Monographie, uns aus Ciceros Brief an Lucceius näher bekannt (ad
fam. 5,12). Diese ist gerade für den biographischen Aspekt der hellenistischen
Geschichtsschreibung bedeutsam und besaß vermutlich in Werken wie der
Agathokles-Geschichte des Duris (FGH 76 F 16 ff.) ihre Entsprechung in der lite-
rarischen Praxis.
Cicero erläutert in jenem vielbehandelten Brief (gute Literaturübersicht bei D.
Flach, Tacitus in der Tradition der antiken Geschichtsschreibung, Göttingen 1973,
14ff.), daß es in der historischen Monographie gelinge, durch eine dem Aufbau
eines Theaterstückes ähnliche Gruppierung der Ereignisse um die Person des
Helden aus dem gestaltlosen Fluß der geschichtlichen Ereignisse einen Abschnitt
mit sinnvollem Anfang und Ende herauszuheben und dadurch ästhetisches Wohl-
gefallen zu erzeugen, wie es sonst nur die Dichtung, insbesondere das Drama,
bewirkt. Wohl dieselbe Art der Geschichtsschreibung hat Plutarch im Auge (de
glor. Ath. 346 F ff.), wenn er denjenigen Historiker mit dem Maler vergleicht, der
durch unmittelbar wirksame Anschaulichkeit den Leser zum Zuschauer macht und
damit ergötzt oder erschüttert. Freilich exemplifiziert er das gerade an Thukydides,
also nicht an der Monographie, die um eine Person komponiert ist. In dieser Art der
Geschichtsschreibung, so sagt Cicero mit einem Verweis auf Xenophons ‘Agesi-
laos’, kann der Historiker auch enkomiastisch verfahren (ad fam. 5,12,3), während
sonst die Historiographie wie von der Biographie so auch vom Enkomion streng
getrennt bleibt (vgl. Luc. hist, scrib. 7).
Wo Cicero sich allgemeiner über die Historiographie in der Ausbildung und
Tätigkeit des Redners äußert und nicht, wie im Lucceius-Brief, in eigener Sache,
entwickelt er ein ganz polybianisches Programm (de or. 2,63/69; dazu P. A. Brunt,
Cicero und Historiography: Miscellanea E. Manni, 1980, 311 ff.): Vollständigkeit,
Wahrheit, chronologische Ordnung, geographische Information und vor allem
Erörterung der Ursachen und Folgen historischer Ereignisse aus den Überlegungen
und Äußerungen der Handelnden. Im letztgenannten Zusammenhang aber fordert
Cicero bzw. seine Quelle auch die Berücksichtigung der biographischen Nachrich-
ten über besonders berühmte Akteure im historischen Geschehen (de cuiusque
vita et natura 63). Auch Polybios ist ja der Ansicht, daß man ohne Wissen von Philo-
poimens Wesen und Leben die mit ihm verknüpften historischen Ereignisse nicht
begreifen könne (vgl. P. Pedech, La methode historique de Polybe, Paris 1964,245).
Sieht man davon ab, daß Cicero im zweiten Abschnitt der zitierten Stelle aus De
oratore die Polybios weit weniger interessierenden Fragen des Sprachstils behan-
delt, so gibt das von ihm entwickelte Programm eine treffliche Erläuterung des poly-
bianischen Konzeptes einer ιστορία μετ’ άποδείξεως. In diesem hat der bio-
graphische Exkurs offenbar eine doppelte Funktion: Er gehört in den Begrün-
 
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