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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0022
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Albrecht Dihle

jedoch dem Staat nur Nachteile einbrachte. Omnium consensu capax imperii nisi
imperasset (Tac. hist. 1,49), maiore ... favore et auctoritate adeptus est quam gessit
Imperium (Suet. Galb. 14), und Plutarch berichtet, niemand habe sich nach Galbas
Regierung zurückgesehnt, aber viele seinen Tod bedauert (Galb. 29). Trotz dieser
grundsätzlich übereinstimmenden Gesamtwertung wird doch kein Leser Suetons
und Plutarchs verkennen, daß jener den Kaiser viel negativer bewertet als dieser.
Zwar sind sich beide mit Tacitus darin einig, daß Galba altrömische Prinzipien-
strenge auf seltsame Weise mit Indolenz (segnitia), anderen schlechten Eigen-
schaften (saevitia, avaritia) und vor allem mit verhängnisvoller Abhängigkeit von
seinen Ratgebern verband. Aber während bei Plutarch z. B. die Adoption des Piso
als eine wohlerwogene, nach moralischen Kriterien vollzogene Maßnahme
erscheint (21), läßt sie Sueton aus einer recht unüberlegten Augenblickseingebung
erfolgen, bei der wichtige politische Erwägungen außer Betracht blieben (17). Die
Worte, mit denen Galba endgültig die Erhöhung des Donativs für die Praetorianer
ablehnt - ein Akt, der ihn letztlich Thron und Leben kosten wird - bezeichnet
Plutarch (18) als den eines Kaisers würdigen Ausspruch: Ich pflege meine Soldaten
auszuheben, nicht zu kaufen. Sueton zitiert dasselbe Dictum als iactatio (16), gewiß
in richtiger Einschätzung der Torheit des Verhaltens angesichts bestehender
Machtverhältnisse.
Die Reihe solcher entgegengesetzten Bewertungen einzelner Handlungen und
Äußerungen des Kaisers ließe sich unschwer verlängern. Sie zeigt, daß es Plutarch
um ein Urteil in den Kategorien der Individualethik zu tun ist. Nicht daß das
Gemeinwohl von Galba tatsächlich gefördert worden sei, rühmt er dem Kaiser
nach, sondern daß er für seine Person das κοινόν stets über das 'ίδιον gestellt und
darum den moralisch besten, nicht den ihm genehmsten Kandidaten adoptiert
habe (21). Das genügt für Plutarch, ein positives Urteil zu sprechen. Der Gesichts-
punkt der politischen Zweckmäßigkeit, vor allem aber der politischen Verant-
wortung, scheint völlig zu fehlen. Auch das Handeln des Staatsmannes wird als
Zeugnis für se^ie private Sittlichkeit erfaßt. Sueton dagegen sieht sich gezwungen,
trotz prinzipiell ähnlicher Bewertung seines Charakters, dessen schlechte Seiten -
saevitia, avaritia, segnitia - hervortreten zu lassen, weil sie unmittelbar für sein poli-
tisches Scheitern und für den Ausbruch des Bürgerkrieges die Ursache abgeben
und damit ein Defizit in den Kategorien politischer Moral bedeuten.
Tacitus Variation des den drei Autoren gemeinsamen Themas ähnelt derjenigen
Suetons, wenn ihm auch Plutarch in der Nacherzählung der dramatischen Ereig-
nisse viel näher kommt als jener. Auch Tacitus läßt keinen Zweifel daran, daß für
den Staat der Schaden, der aus des Kaisers nachteiligen Eigenschaften erwuchs,
durch seine Tugenden nicht aufgewogen wurde. Ungewöhnlich ist in diesem
Zusammenhang nur die Adoptionsrede, die man mit Recht als Manifest der
Reichspolitik des 2. Jh. verstanden hat. Daß Galba als Thronfolger den „Besten“
ohne Rücksicht auf dynastische Interessen adoptierte, rückt ihn in die Reihe der
 
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