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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0024
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22

Albrecht Dihle

erstrebte - erreichte oder verfehlte - Verwirklichung des jedem Menschen von der
Natur vorgezeichneten Telos verstehen lehrte. Die Lehre von den Handlungen und
von den Lebensformen, die sittliche oder charakterologische Typologie und andere
philosophische Spezialstudien, die sich seit dem 4. Jh. v. C. entfalteten, gehören in
eben diesen Zusammenhang, aus dem die Biographie griechischer Prägung
erwuchs. Die Specifica ihrer Formgebung, wie man sie bei Plutarch finden kann,
ergaben sich aus ihrer Verwurzelung in den anthropologischen Vorstellungen helle-
nistischer Philosophie und der moralisch-paränetischen Zielsetzung biographi-
scher Schriftstellerei. Nur wo formale Eigenschaften antiker Biographien auf diese
inhaltlichen Erfordernisse bezogen werden können, wird man sie angesichts der
Vielfalt der Formen, die irgendwie mit biographischer Überlieferung zu tun haben,
als gattungsbestimmend oder gattungsspezifisch anerkennen dürfen.
II
Die oben skizzierte Eigentümlichkeit der literarisch-biographischen Tradition
auf griechischer Seite muß man sich deutlich machen, um den großen Schritt
ermessen zu können, der darin besteht, daß auf römischer Seite die Biographie zum
Mittel der Geschichtsschreibung wurde. Man mag darüber streiten, ob das schon
für die Caesares des Sueton gilt - unbezweifelbar gilt es für die antiken und mittel-
alterlichen Autoren, die in seiner Nachfolge stehen, nämlich Marius Maximus, Sex.
Aurelius Victor, den Verfasser der Historia Augusta, Einhard, Otto v. Freising u.v.a.
Das damit gestellte Problem verdient schon deshalb Interesse, weil wie im Fall
anderer Gattungen so auch in dem der Biographie zahlreiche Fäden die römischen
Werke mit ihren griechischen Vorbildern verbinden. Friedrich Leo hatte die
Schlüsselstellung, die Sueton in einer gemeinsamen Geschichte der griechischen
und römischen Biographie einnimmt, mit scharfem Blick erkannt und die damit
gestellte Frage durch eine formgeschichtliche Hypothese beantwortet, die, so ein-
leuchtend sie schien, dann doch durch Neufünde biographischer Texte bald wider-
legt wurde. Vor allem die als Dialog stilisierte Euripides-Biographie des Satyros ist
hier zu nennen.
Unter dem von uns gewählten Gesichtspunkt liegt die Neuerung Suetons nicht
in der von ihm vorgenommenen Anwendung einer literarischen Form, nämlich der
katalogisierenden Lebensbeschreibung literarisch bedeutender Personen, auf
einen anderen Gegenstand, nämlich die Lebensereignisse von Staatsmännern und
Feldherren, sondern in der von ihm höchstwahrscheinlich intendierten, von seinen
Nachfolgern jedenfalls eifrig aufgenommenen Einbeziehung einer historischen
Betrachtungsweise in die biographische Schriftstellerei. Läßt sich die Eigenart
suetonischer Biographien in der Weise, wie es W. Steidle (Sueton und die antike
Biographie, München 21963) versucht hat, als inhaltliche und auch formale
 
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