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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0038
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Albrecht Dihle

Quellen lediglich als Verfasser landwirtschaftlich-medizinischer Werke bekannt ist,
aber mit Sicherheit ins 3. Jh. n. C. gehört (E. Birley, Historia Augusta-Colloquium
Bonn 1970, 80ff.).
Angesichts der sattsam bekannten Mystifikationen, an denen die Historia
Augusta so reich ist (A. Chastagnol, Hist. Aug. Coll. Bonn 1963, 57; R. Syme ebd.
1968,148 ff. = Syme III), wird man auf die langen Reihen angeblicher Gewährsleute
nicht zu viel geben. Auch kann man ziemlich sicher sein, daß daneben tatsächlich
herangezogene Quellenautoren ungenannt bleiben wie der neben Marius Maximus
benutzte, vermutlich auch zu den Kaiserbiographen gehörige Anonymus, dessen
Existenz Timothy Barnes (The Sources of the Historia Augusta, Bruxelles 1978,
lOlff.) über jeden Zweifel erhoben hat. Wichtig in unserem Zusammenhang ist
nur, daß es der Autor nicht versäumt, hinter dem tatsächlich von ihm benutzten
Marius Maximus auch dessen Vorgänger Sueton einzufugen, obwohl ihm dieser
nicht als Quelle, sondern allenfalls als literarisches Vorbild gedient haben kann.
Offenbar durfte der Archeget einer als Geschichtswerk verstandenen Kaiserbio-
graphie - und eben in diese Gattungstradition will der Autor sein seltsames Werk
eingeordnet wissen - nicht fehlen. Ganz deutlich wird eine Konkurrenz zweier For-
men der Schriftstellerei, die beide demselben historiographischen Zweck dienen.
Wenn nicht alles trügt, gehörte der Autor der Historia Augusta in die heidnisch
gebliebenen Kreise des römischen Senates der Zeit des ausgehenden 4. Jh. n. C.
Man kann dort eine, gemessen an den Maßstäben der Epoche, hohe literarische
Bildung voraussetzen und darum vermuten, daß das Prooemium der Probus-Vita
eine dem Autor und seinen Lesern wohlbekannte Streitfrage behandelte, auf die
sich auch Ammian bezieht.
Darf man nun aber, wie es Syme zwar nicht behauptet, aber doch als Möglich-
keit angedeutet hat, die Konkurrenz-Situation zwischen Historiographie alten Stiles
und Kaiserbiographie auf das frühe 2. Jh. n. C. übertragen und den Biographien
Suetons eine entsprechende Absicht unterstellen? Das, was man aus den Äußerun-
gen des Autors der Historia Augusta und Ammians als Bezugspunkte der Konkur-
renz erschließen kann, läßt sich zweifellos bei einem Vergleich zwischen Tacitus
und Sueton wiederfinden. Dort der erlesene Stil, hier das gänzlich fehlende Streben
nach sprachlich-stilistischer Gestaltung, dort das Bedauern, daß die römische
Kaisergeschichte dem Historiker im Gegensatz zum alten Rom keinen wahrhaft
erhabenen Stoff mehr biete (ann. 4, 32,8), hier die sorgfältige Registrierung der
facete dicta oder literarischen Vorlieben eines Kaisers. Syme ist darüber hinaus
geneigt, die souveräne Ignorierung wichtigster außenpolitisch-militärischer Ereig-
nisse und ihrer Akteure wie Corbulo oder Verginius Rufus dem Ressentiment des
Ritters, Gelehrten und Kanzleibeamten Sueton gegenüber dem ordo senatorius
und seiner historiographischen Tradition zuzuschreiben - ohne freilich darin über
die Andeutung der Möglichkeit hinauszugehen.
Will man zeigen, daß Sueton mit seinen Kaiserbiographien eben die historiogra-
 
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