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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0037
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Die Entstehung der historischen Biographie

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breit angelegten Sittenschilderungen auf recht wenig erhabene Dinge einzugehen
(vgl. etwa 14, 6,2-26). In der Kontroverse geht es um den Unterschied zwischen
Geschichtswerk und Kaiserbiographie, und an anderer Stelle polemisiert Ammian
auch ausdrücklich gegen die Leser des Kaiserbiographen Marius Maximus, der ein
Fortsetzer Suetons war (28, 4,14; vgl. H. Tränkle, Antike und Abendland 11,
1962,23). Er stellte ihn auf eine Stufe mit Juvenal, ein Urteil, das durch eine Bemer-
kung der Historia Augusta (Quadr. Tyr. 1,2) über jenen Autor durchaus bestätigt
wird. Sinnvoll war eine solche Kontroverse aber nur unter der Voraussetzung, daß
die Kaiserbiographie des suetonischen Typus zum ernsthaften Konkurrenten tradi-
tioneller Historiographie oder, anders ausgedrückt, zu einer anerkannten Form der
Geschichtsschreibung geworden war. Zu den honestissimi zählten ihre Autoren
damals schon lange: Sueton war römischer Ritter und ab epistulis in der Kanzlei
Hadrians, Marius Maximus Senator und Consul.
Auch auf die andere Seite der Kontroverse hat Syme aufmerksam gemacht (II
124). Im langen Prooemium der Probus-Vita der Historia Augusta kommen zahl-
reiche Topoi historiographischer Exordialtopik vor. Damit und mit der Aufzählung
seiner angeblich benutzten, ausschließlich archivalischen Quellen - literarische
Darstellungen der Zeit existieren entgegen anderen Zeugnissen (z. B. FGH 101)
nach seiner Behauptung nicht - meldet er unmißverständlich den Anspruch an, als
Historiker gelesen zu werden, der einen sonst nie dargestellten und darum der Ver-
gessenheit ausgelieferten Gegenstand behandelt. Indessen versagt er sich den
hohen Stil rhetorisch geformter Geschichtsschreibung (vgl. Cic. de leg. 1,5/6):
Neque ego nunc facultatem eloquentiamque polliceor, sed res gestas quas perire
non patior. Zwar würde hoher Stil seinem Gegenstand entsprechen: Contestatum
volo me et rem scripsisse quam, si quis voluerit, honestius eloquio celsiore demon-
stret. Er möchte nun aber gerade nicht die disertissimi wie Sallust, Livius, Tacitus
oder Pompeius Trogus zum Vorbild nehmen, sondern Marius Maximus, Sueton,
Fabius Marcellinus, Gargilius Martialis, Julius Capitolinus, Aelius Lampridius und
andere, qui haec et talia non tarn diserte quam vere memoriae tradiderunt. Ein Ver-
weis auf seine und seiner Leser Wißbegier soll dann abschließend den besonderen
Wahrheitsanspruch seiner biographischen Darstellung wahrscheinlicher machen.
Die Namen und die Reihenfolge der aufgezählten Biographen, die hier den
großen Historikern der römischen Literatur als mindestens gleichberechtigt gegen-
übergestellt werden, sind aufschlußreich: Julius Capitolinus und Aelius Lam-
pridius sind zwei der Pseudonyme, unter denen der Autor der Historia Augusta
selbst sein Werk veröffentlichte, Marius Maximus der einzige Schriftsteller in der
Reihe, den er in den ersten Viten benutzt hat. Fabius Marcellinus erscheint neben
Marius Maximus, Aurelius Vetus, Statius Valens, Septimius, Acholius und Encol-
pius als Verfasser von Biographien des Alexander Severus (48,6; dazu J. Schlum-
berger, Hist. Aug. Coll. Bonn 1972/74, 219; ferner Curius Fortunatianus, Max. et
Balb. 4,5), ist aber sonst nicht bezeugt, während Gargilius Martialis aus anderen
 
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