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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0039
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Die Entstehung der historischen Biographie

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phischen Absichten verfolgte, die in der auf ihn zurückgehenden Tradition nach-
weisbar sind, müßte man zunächst wahrscheinlich machen, daß sich Sueton genau
in dieser Hinsicht von der ihm vorgegebenen biographischen Tradition, soweit sie
heute noch faßbar ist, unterscheidet.
Erst jüngst hat A. Wallace-Hadrill (Suetonius, London 1983) nachgewiesen, daß
man die Kaiserviten Suetons nicht als Literatur, sondern als ein Stück gelehrter
Schriftstellerei lesen kann. Die besonderen Interessen, die auf kleinste Details
gerichtete Aufmerksamkeit, die sorgfältige Dokumentation, die Vorliebe für das
ciceronisch-augusteische Zeitalter, die den Verfasser der viri illustres kennzeich-
nen, das alles findet sich auch in den Caesares. Freilich bedeutet die Sorgfalt, die
Sueton auf die Ermittlung und Einordnung kleinster Details verwendet, nicht unbe-
dingt, daß er auch in den Informationen sich als ergiebig und zuverlässig erweist, die
den Leser eines Geschichtswerkes interessieren. Die Nero-Vita ist, wie Syme (II
119) gezeigt hat, voll von groben Fehlern und äußerst lückenhaft, was die Berichte
aus der großen Politik angeht. Und wenn Sueton, wohl um der säuberlichen Peri-
odisierung im Werdegang des Tiberius willen, einfach behauptet, mit dem Rückzug
nach Capri habe sich der Kaiser ganz aus den Staatsgeschäften zurückgezogen (Tib.
41), so wird das durch den gewiß nicht von Sympathie bestimmten Bericht des
Tacitus über die von Tiberius betriebene Parther-Politik i. J. 35 n. C. (ann. 6,31 ff.)
widerlegt. Es gibt keinen Beweis dafür, daß Sueton den Tacitus benutzt habe: Abge-
sehen davon, daß sein Bild vom Kaisertum mit dem des Tacitus wenig gemein hat
und z. B. das Problem der libertas in der Monarchie, das Tacitus zeitlebens bewegte,
ihm offenbar ganz gleichgültig war (Wallace-Hadrill 111), scheint sein Interesse an
der Geschichte als res gestae so gering gewesen zu sein, daß sich auf diesem Gebiet
auch die Sorgfalt des gelehrten Antiquars nicht bewährte.
Plutarch schließt sich in den Viten der Herrscher des Dreikaiserjahres derselben
Quelle an wie Tacitus in den ersten Historienbüchern. Obwohl nun Plutarch aus-
drücklich die erschöpfende Darstellung der Ereignisse den Historikern überlassen
will und als Biograph nur diejenigen zu erzählen verspricht, die über Taten und
Leiden der Titelhelden Aufschluß geben, ist sein Bericht des Geschehens doch
gelegentlich klarer und folgerichtiger als der des Historikers Tacitus (vgl. R. Syme, I
678f.). Von Sueton kann man derartiges gar nicht erst erwarten. Sueton erwähnt
Caesars gallische Feldzüge in einem Paragraphen (Jul. 25) und redet von den glän-
zenden Partherzügen Corbulos überhaupt nicht.
Das alles ist denkbar „unhistorisch“, unhistorischer vermutlich, als es die 8 Kai-
serviten Plutarchs waren, deren zwei erhalten blieben und die mit größter Wahr-
scheinlichkeit älter sind als die Caesares Suetons. In ihrer Qualität als Erzählungen,
so darf man wohl sagen, stehen alle Viten Plutarchs historiographischen Darstellun-
gen näher als Suetons Kaiserbiographien.
Zwei Unterschiede sind es vor allem, die Wallace-Hadrill mit Recht zwischen
den Biographien Plutarchs und Suetons herausarbeitet, und zwar im Hinblick auf
 
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