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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0057
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Die Entstehung der historischen Biographie

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Herrscherideologie herangezogen und von Onesikritos auf Alexander angewandt
wurde, bezieht sich weniger auf die vom Herrscher zu erwartende Veranlagung zum
starken Helden als auf die in langen Mühen errungene Vollkommenheit. Wich-
tigste Qualifikation für das Herrscheramt ist die Herrschaft über sich selbst, über die
eigenen Leidenschaften (R. Hoistad, Cynic Hero and Cynic King, Uppsala 1949).
Daneben gab es aber stets die Vorstellung vom numinosen Ursprung herrscher-
licher Macht und von der besonderen, eben nur numinos faßbaren Natur des Herr-
schers. Herrscherkult, -zeremoniell und -titulatur - etwa im ptolemäischen Ägypten
- bezeugen das überreichlich, und die höfische Sprache des Hellenismus ist voll von
Wörtern mit sakraler Konnotation wie Θεός, Επιφανής, Σωτήρ, Νέος Διόνυσος u. ä.
Die Einbeziehung des Herrschers in die Sakralsphäre war ein Mittel politischer
Herrschaft, auf das man aus den verschiedensten Gründen gar nicht verzichten
konnte und das vermutlich den Gefühlen weiter Teile der Bevölkerung entgegen-
kam (vgl. J. R. Fears, RAC 11, 1981, 1116f.).
Weil die philosophische Theorie des Königtums dieses numinosen Elementes
entbehrte, verfuhr sie mit wenigen Ausnahmen wie z. B. Onesikritos und Erato-
sthenes (Strab. 1, 4,9) mit der Gestalt Alexanders recht unfreundlich, denn in den
Kategorien rational konzipierter Ethik erwies sich sein Verhalten in mehreren über-
lieferten Episoden als sittlich verkehrt, den Leidenschaften unterworfen, also dem
Herrscherideal nicht entsprechend. Eine Tradition, nach der dem Herrscher vor
allem numinose, über die Menschennatur hinausweisende Qualitäten eigneten,
konnte dagegen die Gestalt des großen Makedonen um seiner nach menschlichen
Maßstäben kaum faßbaren Wirkung und Leistung willen trotz allem stets positiv
beurteilen.
Alfred Heuss hat in dem o. e. Aufsatz (78ff.) die Meinung geäußert, es seien
eigentlich erst die großen Gewaltmenschen der römischen Republik wie Scipio,
Pompeius, Caesar, Antonius und auch Mithradates Eupator, die - sei es im eigenen
Verständnis oder im Urteil der Mitwelt - an Alexander im Sinne der „numinosen“
Tradition angeknüpft hätten. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß
dieselbe, den Barbaren Mithradates einschließende Gruppe großer Männer offen-
bar Velleius Paterculus veranlaßte, in seinem Werk zu einer um Einzelpersonen
angeordneten Geschichtsdarstellung überzugehen (2, 18,1 ff.).
Die offizielle Herrscherideologie des Hellenismus, wie sie in Königsbriefen,
Erlassen u. ä. zum Ausdruck kommt (W. Schubart, Arch. Pap. Forsch. 12, 1936,
1 ff.) orientiert sich nach Heuss’ Meinung eher am philosophischen Herrscherideal
und nimmt damit auf die kritische Einstellung der Philosophen zu Alexander Rück-
sicht.
Ganz schlüssig ist die letztgenannte Vermutung nicht, denn einmal ist die Ein-
beziehung des Königtums in die Sakralsphäre und damit die Möglichkeit, an einen
Alexander göttlicher Qualität anzuknüpfen, im Hellenismus nicht nur durch Herr-
scherkult, Hofzeremoniell u. dgl., sondern auch in Teilen der philosophischen
 
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