Die Entstehung der historischen Biographie
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Berücksichtigung finden. Gewiß diente diese Art der Schriftstellerei, wie sie zuerst
in den erhaltenen Teilen aus dem gleichbetitelten Werk des Cornelius Nepos
erkennbar wird, ursprünglich nur der Vermittlung von Bildungsstoff ohne eigent-
lich historiographische Zielsetzung. Die Breviarien römischer Geschichte gehören
durchweg auch in diese Tradition (The Breviarium of Festus ed. J. W. Eadie,
London 1967, Introduction 10ff). Sie verraten aber durch die Auswahl und Anord-
nung des Stoffes mehr über die herrschende Geschichtsauffassung als das vergleich-
bare Werk des Cornelius Nepos. Im Breviarium des Festus tritt der biographische
Aspekt gegenüber dem geographischen in den Hintergrund. Trotzdem stimmt die
Auswahl der benutzten Quellen genau zu Eutrop und Aurelius Victor: Livius für
die Zeit der Könige und der Republik, Sueton für die Kaiserzeit von Augustus bis
Domitian, Kaisergeschichten wie die des Marius Maximus für die nachdomitia-
nische Kaiserzeit (Eadie 17 mit weiterer Literatur). Ein biographisch bestimmtes
Bild der Geschichte der Kaiserzeit war also im 4. Jh. n.C. selbstverständlich. Im
Werk De viris illustribus des Ps. Aurelius Victor ergibt sich - und das ist zweifellos
beabsichtigt - aus der Sammlung der einzelnen, aus Livius hergeleiteten Lebensbil-
der ein Überblick über die ganze römische Geschichte bis auf Augustus, der dann
durch die Caesares des Aurelius Victor sehr sinnvoll, weil unter demselben
Gesichtspunkt zusammengestellt, fortgesetzt wird. Für die Viri illustres des Corne-
lius Nepos, mögen sie auch derselben literarischen Gattung angehören, gilt diese
„historiographische“ Zielsetzung gerade nicht.
Zwar bleibt bei Ps. Aurelius Victor der Gang der Geschichte im einzelnen
chronologisch unbestimmt und erfüllt damit ein wichtiges Erfordernis echter
Geschichtsschreibung nicht, und natürlich fehlen in einem Breviarium viele
Elemente traditioneller Geschichtsschreibung, wie z. B. die Reden. Wohl aber regi-
strierten Eutropius sowohl als auch die unter Sext. Aurelius Victor’s Namen über-
lieferten Traktate gern denkwürdige Aussprüche der behandelten Personen, ganz
wie in den Caesares Suetons. Der Ausspruch eines Kaisers konnte eben nach der
Meinung der Zeit gegebenenfalls dasselbe historische Gewicht haben wie die Rede
des griechischen Feldherrn vor der Schlacht oder des römischen Consuls im Senat in
den alten Zeiten. Ein Detail also, das in der gelehrt-antiquarischen Tradition die
Aufmerksamkeit des Sammlers aus prosopographischem Interesse auf sich gelenkt
hatte, erhielt nunmehr eine historiographische Funktion. Die Gegner Ammians,
die ihm die Auslassung der Aussprüche des Kaisers an der Tafel vorwarfen, vermiß-
ten ein in ihren Augen durchaus wesentliches Element der Geschichtsdarstellung,
das der Autor der Viri illustres auch bei der Darstellung der Personen aus republika-
nischer Zeit nicht unberücksichtigt läßt.
Gewiß gab es auch in der literarischen Tradition der Breviarien einen Strang,
dem die biographisch-prosopographische Gewichtung fehlte. Von dem kleinen
Werk des Festus, dessen Darstellung geographisch angeordnet ist, war schon die
Rede. Auch Florus’ kurzgefaßter Geschichte der Republik aus hadrianischer Zeit
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Berücksichtigung finden. Gewiß diente diese Art der Schriftstellerei, wie sie zuerst
in den erhaltenen Teilen aus dem gleichbetitelten Werk des Cornelius Nepos
erkennbar wird, ursprünglich nur der Vermittlung von Bildungsstoff ohne eigent-
lich historiographische Zielsetzung. Die Breviarien römischer Geschichte gehören
durchweg auch in diese Tradition (The Breviarium of Festus ed. J. W. Eadie,
London 1967, Introduction 10ff). Sie verraten aber durch die Auswahl und Anord-
nung des Stoffes mehr über die herrschende Geschichtsauffassung als das vergleich-
bare Werk des Cornelius Nepos. Im Breviarium des Festus tritt der biographische
Aspekt gegenüber dem geographischen in den Hintergrund. Trotzdem stimmt die
Auswahl der benutzten Quellen genau zu Eutrop und Aurelius Victor: Livius für
die Zeit der Könige und der Republik, Sueton für die Kaiserzeit von Augustus bis
Domitian, Kaisergeschichten wie die des Marius Maximus für die nachdomitia-
nische Kaiserzeit (Eadie 17 mit weiterer Literatur). Ein biographisch bestimmtes
Bild der Geschichte der Kaiserzeit war also im 4. Jh. n.C. selbstverständlich. Im
Werk De viris illustribus des Ps. Aurelius Victor ergibt sich - und das ist zweifellos
beabsichtigt - aus der Sammlung der einzelnen, aus Livius hergeleiteten Lebensbil-
der ein Überblick über die ganze römische Geschichte bis auf Augustus, der dann
durch die Caesares des Aurelius Victor sehr sinnvoll, weil unter demselben
Gesichtspunkt zusammengestellt, fortgesetzt wird. Für die Viri illustres des Corne-
lius Nepos, mögen sie auch derselben literarischen Gattung angehören, gilt diese
„historiographische“ Zielsetzung gerade nicht.
Zwar bleibt bei Ps. Aurelius Victor der Gang der Geschichte im einzelnen
chronologisch unbestimmt und erfüllt damit ein wichtiges Erfordernis echter
Geschichtsschreibung nicht, und natürlich fehlen in einem Breviarium viele
Elemente traditioneller Geschichtsschreibung, wie z. B. die Reden. Wohl aber regi-
strierten Eutropius sowohl als auch die unter Sext. Aurelius Victor’s Namen über-
lieferten Traktate gern denkwürdige Aussprüche der behandelten Personen, ganz
wie in den Caesares Suetons. Der Ausspruch eines Kaisers konnte eben nach der
Meinung der Zeit gegebenenfalls dasselbe historische Gewicht haben wie die Rede
des griechischen Feldherrn vor der Schlacht oder des römischen Consuls im Senat in
den alten Zeiten. Ein Detail also, das in der gelehrt-antiquarischen Tradition die
Aufmerksamkeit des Sammlers aus prosopographischem Interesse auf sich gelenkt
hatte, erhielt nunmehr eine historiographische Funktion. Die Gegner Ammians,
die ihm die Auslassung der Aussprüche des Kaisers an der Tafel vorwarfen, vermiß-
ten ein in ihren Augen durchaus wesentliches Element der Geschichtsdarstellung,
das der Autor der Viri illustres auch bei der Darstellung der Personen aus republika-
nischer Zeit nicht unberücksichtigt läßt.
Gewiß gab es auch in der literarischen Tradition der Breviarien einen Strang,
dem die biographisch-prosopographische Gewichtung fehlte. Von dem kleinen
Werk des Festus, dessen Darstellung geographisch angeordnet ist, war schon die
Rede. Auch Florus’ kurzgefaßter Geschichte der Republik aus hadrianischer Zeit