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Marc Lienhard
»zelateurs« dagegen (u.a. Jurieu) waren willens, radikaler vorzugehen
und schreckten auch vor Militäraktionen und Aufständen nicht
zurück. Weder die einen noch die anderen haben etwas erreicht, wobei
gerade beim Frieden von Ryswick (1697) eine große Hoffnung zer-
schlagen wurde.
Es gab noch andere Formen der Unterstützung. So wurden im
Refuge Sammlungen durchgeführt für die bedrängten Glaubensgenos-
sen in der Heimat. Dementsprechende Bitt- und Dankschreiben sind
erhalten geblieben.
Trotz aller Verbindungen hat sich zeitweise auch eine Kluft zwi-
schen den leidenden Hugenotten und dem Refuge aufgetan. Als in
Frankreich die „Propheten“ aufstanden und es ab 1702 zum Camisar-
denkrieg kam, stieß diese Erscheinung auf harte Kritik bei den Glau-
bensgenossen im Ausland.46 Erst als 1715 Antoine Court die Kirche
der Wüste wieder nach traditionellem reformiertem Muster organi-
sierte, kehrte das Vertrauen zurück.
3. Verfolgung, Widerstand und Wesen des Protestantismus
Die Unterdrückung der Protestanten hat die Existenz und das
Gesicht des Protestantismus in Frankreich wesentlich verändert. Das
Verhältnis zur Obrigkeit wurde anders. Auch das kirchliche Leben der
Protestanten hat sich natürlich verwandelt. Die Frage kann gestellt
werden, ob die Protestanten nicht durch die Unterdrückung ihre
wahre Identität wiedergefunden haben. Damit wurde auch das Bild
anders, das sich ihre Gegner von ihnen machen mußten. Zum Teil hat-
ten sich die Gegner bis 1685 ein falsches Bild von den Protestanten
gemacht, etwa ihre Bereitwilligkeit überschätzt, der Aufhebung des
Edikts von Nantes Folge zu leisten, oder aufgrund der Zerstörung der
Kirchen und des Weggangs der Pfarrer ihren Glauben preiszugeben.
In zahlreichen Texten des 17. Jahrhunderts haben die französi-
schen Protestanten ihren Gehorsam dem König gegenüber zum Aus-
druck gebracht.47 Es war aber mehr als Gehorsam, es war Unterwürfig-
keit. Die protestantischen Theologen haben zum Teil stärker den
königlichen Absolutismus unterstützt als die katholischen Theologen.
Sie haben die Unmittelbarkeit der königlichen Macht betont gegen-
46 Joutard, Les Camisards, S. 77-80.
47 Siehe dazu Ligou, in: Histoire des protestants en France, S. 141-143.
Marc Lienhard
»zelateurs« dagegen (u.a. Jurieu) waren willens, radikaler vorzugehen
und schreckten auch vor Militäraktionen und Aufständen nicht
zurück. Weder die einen noch die anderen haben etwas erreicht, wobei
gerade beim Frieden von Ryswick (1697) eine große Hoffnung zer-
schlagen wurde.
Es gab noch andere Formen der Unterstützung. So wurden im
Refuge Sammlungen durchgeführt für die bedrängten Glaubensgenos-
sen in der Heimat. Dementsprechende Bitt- und Dankschreiben sind
erhalten geblieben.
Trotz aller Verbindungen hat sich zeitweise auch eine Kluft zwi-
schen den leidenden Hugenotten und dem Refuge aufgetan. Als in
Frankreich die „Propheten“ aufstanden und es ab 1702 zum Camisar-
denkrieg kam, stieß diese Erscheinung auf harte Kritik bei den Glau-
bensgenossen im Ausland.46 Erst als 1715 Antoine Court die Kirche
der Wüste wieder nach traditionellem reformiertem Muster organi-
sierte, kehrte das Vertrauen zurück.
3. Verfolgung, Widerstand und Wesen des Protestantismus
Die Unterdrückung der Protestanten hat die Existenz und das
Gesicht des Protestantismus in Frankreich wesentlich verändert. Das
Verhältnis zur Obrigkeit wurde anders. Auch das kirchliche Leben der
Protestanten hat sich natürlich verwandelt. Die Frage kann gestellt
werden, ob die Protestanten nicht durch die Unterdrückung ihre
wahre Identität wiedergefunden haben. Damit wurde auch das Bild
anders, das sich ihre Gegner von ihnen machen mußten. Zum Teil hat-
ten sich die Gegner bis 1685 ein falsches Bild von den Protestanten
gemacht, etwa ihre Bereitwilligkeit überschätzt, der Aufhebung des
Edikts von Nantes Folge zu leisten, oder aufgrund der Zerstörung der
Kirchen und des Weggangs der Pfarrer ihren Glauben preiszugeben.
In zahlreichen Texten des 17. Jahrhunderts haben die französi-
schen Protestanten ihren Gehorsam dem König gegenüber zum Aus-
druck gebracht.47 Es war aber mehr als Gehorsam, es war Unterwürfig-
keit. Die protestantischen Theologen haben zum Teil stärker den
königlichen Absolutismus unterstützt als die katholischen Theologen.
Sie haben die Unmittelbarkeit der königlichen Macht betont gegen-
46 Joutard, Les Camisards, S. 77-80.
47 Siehe dazu Ligou, in: Histoire des protestants en France, S. 141-143.