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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0012
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10

Hildebrecht Hommel

eine Bemerkung des Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin im Kolleg um
1920, wo er am Grundriß des Nymphenburger Schlosses und des zuge-
hörigen Parks die strenge Symmetrie demonstriert hat mit den Wor-
ten: ‘wenn man da ein Stück irgendwo herausnehmen wollte, es würde
bluten’.
Eine gewisse Symmetrie einfachster Art bieten zwei parallele Gera-
den; aber daß sie den Augen in der Ferne sich zu vereinigen scheinen,
zeigt wieder, wie sehr die Natur bemüht ist, die Strenge der Symmetrie
zu mildern. Architektonische Spielereien wie an Lorenzo Bemini’s
Corridore im Vatikan zu Rom haben daraus Vorteil gezogen, indem sie
durch das unvermerkte Auseinanderstreben der die Seitenbegrenzun-
gen bildenden Säulen, also mit einer leisen Korrektur der Parallele,
dem Auge eine weit längere Erstreckung vortäuschen, als sie der Wirk-
lichkeit entspricht10 10a. Überhaupt sorgt die Perspektive dafür, daß
Symmetrie niemals zum langweiligen Schema erstarrt, sondern je
nach dem Standpunkt des Betrachters ihre Schönheit anders und
damit abwechslungsreich entfaltet. Das Ideal, ‘rechtwinklig zu sein an
Leib und Seele’, wie es uns einst vorgegaukelt wurde, liegt uns heute so
tur- und Quellenhinweis von Peter Hommel-Frankfurt). Neuerdings hat Heinz
Götze in zwei Arbeiten über Castel del Monte, die Hohenstaufenburg des Kaisers
Friedrich II. in Apulien, der Drehsymmetrie im Grundriß dieses achteckigen Bau-
werks wichtige Ausführungen gewidmet: a) Castel del Monte. Gestalt, Herkunft
und Bedeutung. Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss., Ph.-hist. KI. 1984, 2,13 ff.
b) wörtlich wiederholt in dem Buch Castel del Monte. Gestalt und Symbol der
Architektur Friedrichs II. 1984 (erschienen 1985), 71 ff. (Hinweis von Birgit Hom-
mel).
9a Zu Vitruv (s. ob. Anm. 9) als Quelle für die Bedeutung der Symmetrie in der
Antike siehe jetzt Symmetrie I S. 159f. in dem wichtigen Aufsatz von Heiner
Knell, Symmetrie in der Antike - Form, Begriff und Bedeutung (S. 157-176 mit
30 Abb. und weiterer Literatur).
10 Ähnlich im Innern des Palazzo Spada in Rom beim Säulengang, den der Architekt
Fr. Borromini, ein Zeitgenosse Bernini’s, durch die perspektivische Anordnung
bedeutend länger erscheinen ließ, als er in Wirklichkeit ist (Hinweis von Peter
Hommel). Wird hier der Versuch gemacht, der Perspektive zugunsten der Symme-
trie ein Schnippchen zu schlagen, so dient eine andere, nur in der antiken Bau-
kunst übliche Korrektur eher dazu, die starre Symmetrie zu mildern und dem
Auge erträglicher zu machen: die sogen. Kurvatur an griechischen Tempeln, eine
fast unmerkliche Aufwärtskrümmung von horizontalen Kanten (wie z. B. Mauer-
begrenzungen), wodurch starre, spannungslose Linien am Bau vermieden werden
konnten; s. hierüber G. Gruben im Lexikon der Alten Welt 1965, Sp. 3000.
10a Zur ‘Kurvatur’ am Parthenon in Athen s. H. Knell aO. S. 167 m. Abb. 16; ebenda
S. 167 f. auch zur sogen. ‘Entasis’ und zu ähnlichen Ausgleichsbemühungen in der
griechischen Architektur.
 
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